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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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fand sie sich in einem Lager voller Tontafeln wieder - Tontafeln, die mit winzigen Bildern bedeckt waren! Unzweifelhaft hatte sie diese Dinger auch in Händen gehalten.
    Noch etwas war geschehen; etwas, dessen sie sich nie so recht hatte erinnern wollen. War da noch ein anderes Gemach gewesen? Sie wußte allerdings noch genau, daß sie über eine eiserne Wendeltreppe in tiefer gelegene Räume mit nackten Erdwänden gelangt war. Kleine Glühbirnen waren in Porzellanfassungen von der Decke gehangen. Sie hatte an Kettchen gezogen, um sie anzuknipsen.
    Zweifellos war es so gewesen. Zweifellos hatte sie eine schwere Holztür geöffnet…
    Erst Jahre später war ihr das alles wieder in kleinen Erinnerungsblitzen eingefallen - ein weitläufiger Raum mit niederer Decke und Eichenstühlen, einem Tisch und Bänken, die aussahen, als seien sie aus Stein. Und was sonst noch? Etwas, das ihr zunächst äußerst vertraut vorkam. Und dann …
    Noch in derselben Nacht konnte sie sich nur mehr der Wendeltreppe erinnern. Plötzlich war es zehn Uhr, sie war gerade aufgewacht, und Maharet stand am Fuße ihres Bettes. Maharet war gekommen und hatte sie geküßt. So ein lieblicher, warmer Kuß, der ihr durch alle Glieder fuhr. Maharet sagte, man habe sie schlafend in der Lichtung beim Bach gefunden, und bei Sonnenuntergang habe man sie ins Haus gebracht.
    Unten beim Bach? Monate später hatte sie sich tatsächlich »erinnert«, dort eingeschlafen zu sein. Es war sogar eine reichlich plastische »Erinnerung« an den friedlich rauschenden Wald, an das murmelnde Wasser. Aber passiert war das nie, da war sie sich jetzt ganz sicher.
    Aber heute, fünfzehn Jahre später, hatte sie keine Belege dieser halb erinnerten Dinge gefunden. Die Räume waren verschlossen. Sogar die Bände mit der Familiengeschichte waren in Glaskästen eingesperrt, die sie nicht zu beschädigen wagte. Dennoch hatte sie nie so fest ihren Erinnerungen vertraut. Ja, Tontafeln mit nichts als Gestrichel bedeckt, die Menschen, Bäume und Tiere darstellten. Sie hatte die Tafeln gesehen, sie aus den Regalen genommen und sie unter dem schwächlichen Licht der Glühbirne betrachtet. Und die Treppe und der Raum, der sie ängstigte, nein, mit Panik erfüllte…
    Dennoch, das reinste Paradies war es gewesen, diese warmen Sommertage und nachte, da sie sich stundenlang mit Maharet unterhielt, da sie mit Mael und Maharet im Mondenlicht tanzte. Aber sie mußte den Schmerz vergessen, der dem allem gefolgt war; sie mußte versuchen zu verstehen, warum Maharet sie nach New York zurückgeschickt hatte, auf daß sie nie wiederkäme.
     
Mein Liebling,
    es ist einfach so, daß ich Dich zu sehr liebe. Mein Leben wird Deines verschlingen, wenn wir nicht getrennt sind. Du mußt Freiheit haben, Jesse, damit Du Deitit eigenen Pläne, Wünsche und Träume ersinnen kannst…
     
     
    Sie war nicht zurückgekommen, um die alten Schmerzen, sondern um wenigstens für eine kurze Zeit die alten Freuden wieder aufleben zu lassen.
     
    Ihre Müdigkeit bekämpfend, verließ sie schließlich das Haus und durchstreifte den Eichenwald. Ohne Schwierigkeiten fand sie die alten Pfade wieder. Und die tarn- und kleeüberwachsene Lichtung, durch die der Bach rauschte.
    Hierher hatte Maharet sie einst in völliger Dunkelheit geführt, über den Steinpfad hinweg zum Wasser hinunter. Mael war ihnen gefolgt. Maharet hatte Jesse Wein eingegossen, und sie hatten zusammen ein Lied gesungen, das Jesse sich später nie wieder genau ins Gedächtnis zurückrufen konnte, obwohl sie sich ab und zu dabei ertappte, wie sie diese unheimliche Melodie vor sich hin summte und ‘dann, wenn sie sich dessen bewußt wurde, nicht mehr weiterwußte.
    Sie hätte leicht bei dem Bach einschlafen können, eingelullt in das Flüstern des Waldes, so wie ihr es die »Erinnerung« an das letzte Mal vor vielen Jahren vorgaukelte.
    Wie verwirrend war doch das leuchtende Grün der Ahornbäume, durch die einige Lichtstrahlen brachen. Und die Sandelholzbäume schienen in dieser vollkommenen Stille noch gewaltiger zu sein. Riesig und gleichgültig ragten sie hundert Meter auf, ehe ihr düsteres Laubwerk nur noch einen ausgefransten Himmel zuließ.
    Sie wußte, was ihr das Konzert heute abend mit Lestats kreischenden Fans abverlangen würde. Und sie hatte Angst, daß der Traum mit den Zwillingen sie wieder heimsuchen würde.
     
    Schließlich ging sie zum Haus zurück, wobei sie die Rosen und den Brief mitnahm. Ihr altes Zimmer. Drei Uhr. Wer zog hier

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