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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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entdeckte in den Talamasca-Archiven etwas, das sie in Hinblick auf die Große Familie beträchtlich verwirrte.
    Während sie die Hexendokumente übertrug, fand sie nämlich heraus, daß die Talamasca schon seit Jahrhunderten gewisse »Hexenfamilien« überprüften, deren Geschicke von übernatürlichen Eingriffen gelenkt zu sein schienen. Sogar hier und heute beobachteten die Talamasca eine ganze Reihe solcher Familien! Gewöhnlich gab es eine »Hexe« in jeder Generation in einer solchen Familie, und diese Hexe konnte, wollte man den Unterlagen Glauben schenken, übernatürliche Kräfte dienstbar machen, um Wohlstand und Erfolg der Familie zu sichern und zu mehren. Die übersinnliche Kraft schien erblich zu sein, aber genau wußte man es nicht. Einige dieser Familien hatten keine Ahnung, was ihre eigene Geschichte betraf; sie verstanden die »Hexen« nicht, die sich im zwanzigsten Jahrhundert kundtaten. Und obwohl die Talamasca regelmäßig versuchten, mit solchen Leuten in Verbindung zu treten, wurden sie oft zurückgewiesen, oder man hielt es für zu »gefährlich«, dem Phänomen weiter nachzugehen. Schließlich seien Hexen der größten Ruchlosigkeiten fähig.
    Jesse konnte es erst gar nicht fassen und war so entsetzt, daß sie die ganze Angelegenheit wochenlang auf sich beruhen ließ. Das Ganze glich einem Schema, das ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, und Maharet und die Große Familie paßten allzu gut in dieses Schema.
    Dann tat sie das einzig Mögliche, was sie tun konnte, ohne ihre Loyalität gegenüber irgend jemandem zu verletzen. Sorgfältig ging sie alle Akten über die Hexenfamilien durch. Sie nahm sich auch die ältesten Dokumente vor und studierte sie Zeile für Zeile.
    Eine Maharet wurde nirgends erwähnt. Kein Name der weitverzweigten Großen Familie, soweit Jesse sie kannte, tauchte auf. Nichts, was auch nur den geringsten Verdacht hätte erregen können.
    Ihr fiel ein Stein vom Herzen, aber eigentlich war sie nicht überrascht. Ihr Instinkt hatte ihr gesagt, daß sie auf der falschen Spur war. Maharet war keine Hexe. Nicht im Sinne des Wortes. Da steckte mehr dahinter.
    Aber Jesse versuchte nie, wirklich dahinterzukommen. Und mehr als einmal schien es ihr, als sei sie den Talamasca nur beigetreten, um das rätselhafte Geheimnis ihres eigenen Lebens in einem Dschungel anderer Geheimnisse untergehen zu lassen.
    Von Gespenstern und Poltergeistern und besessenen Kindern umgeben, dachte sie immer weniger an Maharet und die Große Familie.
     
    Als Jesse Vollmitglied wurde, war sie eine wahre Expertin der Regeln und Praktiken der Talamasca: wie man Untersuchungen festhielt und protokollierte, wann und ob man der Polizei bei ungelösten Fällen half, wie man jeden Kontakt zur Presse vermied. Sie hatte auch wohlwollend begriffen, daß die Talamasca keinem Dogma verpflichtet waren. Den Mitgliedern wurde nicht abverlangt, an irgend etwas zu glauben, man mußte nur ehrlich sein und bei seinen Beobachtungen größte Sorgfalt walten lassen.
    Jesse fand ihre Arbeit nie langweilig. Die ganzen Aufregungen, die Geheimniskrämerei machten sie geradezu süchtig. Sie war in den Schoß der Talamasca eingewoben, und obwohl sie sich an den Luxus ihrer Umgebung gewöhnte - an die Himmelbetten, an das Silbergeschirr, an die von Chauffeurs gelenkten Autos und die Dienerschaft -, wurde sie selbst immer bescheidener und verschlossener.
    Mit dreißig war sie eine zerbrechlich aussehende, blasse Frau, deren lockiges rotes Haar durch einen Mittelscheitel geteilt war. Sie schminkte sich nicht, benutzte keinerlei Parfüm, trug keinen Schmuck, von ihrem keltischen Armband abgesehen. Wenn sie in Amerika war, trug sie Jeans, ansonsten waren ein Kaschmirblazer und Wollhosen ihre liebsten Kleidungsstücke. Dennoch war sie attraktiv, und die Männer interessierten sich mehr für sie, als es ihr recht war. Sie hatte Liebesaffären, aber nur immer sehr kurze. Und wichtig waren sie nur selten.
    Jesse hätte sich gut vorstellen können, immer und ewig bei den Talamasca zu bleiben. Wie ein katholischer Orden nahmen sich die Talamasca ihrer Alten und Gebrechlichen an. Wenn man im Ordenshaus dem Tode entgegenging, mangelte es einem an nichts, man konnte seine letzte Stunde verbringen, wie man wollte, allein im Bett oder mit anderen Mitgliedern in der Nähe, die einen trösteten und die Hand hielten. Man konnte auch nach Hause zu seinen Verwandten gehen, wenn einem das lieber war. Aber die meisten zogen es vor, im Stammhaus zu

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