Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Wohlgemerkt, ich glaube nicht, daß ich in den Augen der Welt wirklich ein Held bin. Aber ich bin vor langer Zeit zu dem Schluß gekommen, daß ich leben muß, als wäre ich ein Held - daß ich durch alle Schwierigkeiten, die mir im Wege stehen, hindurchgehen muß, denn sie stellen für mich nichts weiter als die unvermeidlichen Feuerkreise dar.
    Also gut, dies war ein kleiner und schmählicher Feuerkreis. Und mit dieser Feigheit mußte sofort Schluß sein. Essen, schmecken, fühlen, sehen - das war es, worum es bei dieser Strapaze ging! Oh, was für eine Strapaze das werden würde.
    Endlich stand ich auf. Ich machte etwas größere Schritte, die der Länge der neuen Beine besser entsprachen, und ging noch einmal zum Kleiderschrank. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, daß gar nicht besonders viele Kleider da waren. Zwei Hosen aus Schurwolle, zwei ziemlich leichte Wolljacken, beide neu, und einen Stapel von vielleicht drei Hemden auf einem Regal.
    Hmmm. Was war aus dem ganzen Rest geworden? Ich zog die oberste Kommodenschublade auf. Leer. Auch die anderen Schubladen waren leer, genau wie die kleine Truhe neben dem Bett.
    Was konnte das bedeuten? Hatte er die Kleider mitgenommen, oder hatte er sie irgendwohin vorausgeschickt? Aber wieso? Sie würden seinem neuen Körper nicht passen, und er hatte behauptet, er habe sich um all das gekümmert. Ich war zutiefst beunruhigt. Konnte das bedeuten, daß er nicht vorhatte zurückzukommen’?
    Das war absurd. Er würde sich keine zwanzig Millionen Dollar entgehen lassen. Und ich durfte meine kostbare Zeit als Sterblicher nicht Stunde um Stunde damit vergeuden, daß ich mir wegen einer solchen Sache den Kopf zerbrach!
    Ich stieg die gefährliche Treppe hinunter; Mojo tappte leise neben mir her. Ich hatte den neuen Körper inzwischen einigermaßen mühelos unter Kontrolle, wenn er auch schwer und unbequem war. Im Flur öffnete ich den Schrank. Ein alter Mantel hing auf einem Bügel. Ein Paar Galoschen. Sonst nichts.
    Ich ging zum Schreibtisch im Wohnzimmer. Er hatte mir gesagt, ich würde dort einen Führerschein finden. Langsam zog ich die oberste Schublade auf. Leer. Alles war leer. Ah, aber in einer der Schubladen waren ein paar Papiere. Hatten anscheinend etwas mit dem Haus zu tun, aber nirgends tauchte der Name Raglan James auf. Ich bemühte mich zu ergründen, was das für Papiere waren. Aber die Amtssprache war mir unverständlich; und ich empfing keinen unmittelbaren Bedeutungseindruck, wie es der Fall gewesen war, wenn ich etwas mit meinen Vampiraugen angeschaut hatte.
    Ich dachte an das, was James über die Synapsen gesagt hatte. Ja, mein Denken war langsamer. Ja, ich hatte Mühe gehabt, jedes Wort zu lesen.
    Na ja, was machte das schon? Ein Führerschein war hier nicht. Und ich brauchte Geld. Ah ja, Geld. Ich hatte das Geld auf dem Tisch liegenlassen. Guter Gott, vielleicht war es in den Garten hinausgeweht.
    Sofort lief ich zurück in die Küche. Es war jetzt eiskalt dort; Tisch, Stühle und die Kupfertöpfe an ihren Haken waren von einer dünnen Reifschicht bedeckt. Die Brieftasche mit dem Geld lag nicht auf dem Tisch. Die Autoschlüssel lagen nicht auf dem Tisch. Und die Lampe war natürlich immer noch zerbrochen.
    Ich sank im Dunkeln auf die Knie und tastete auf dem Boden herum. Den Paß fand ich. Die Brieftasche nicht. Keinen Schlüssel. Nur Glasscherben von der zerschmetterten Glühbirne, die mir in die Hand schnitten und an zwei Stellen die Haut durchdrangen. Kleine Blutstropfen auf meinen Händen. Kein Duft. Kaum Geschmack. Ich versuchte, etwas zu sehen, ohne zu tasten. Keine Brieftasche. Ich ging hinaus auf die Hintertreppe und gab acht, damit ich nicht noch einmal ausrutschte. Keine Brieftasche. In dem tiefen Schnee draußen im Garten konnte ich nichts sehen.
    Ah, aber es war auch nutzlos, nicht wahr? Die Brieftasche und die Schlüssel waren viel zu schwer, um weggeweht zu werden. Er hatte sie mitgenommen! Womöglich war er sogar noch einmal zurückgekommen, um sie zu holen! Dieses kleinkarierte Monstrum - und als mir klarwurde, daß er in meinem Körper gewesen war, in meinem herrlichen, machtvollen, übernatürlichen Körper, als er dies getan hatte, da war ich starr vor Wut.
    Okay, du hast dir denken können, daß so etwas vielleicht passieren würde, oder? Es lag in seiner Natur. Und du frierst wieder. Du zitterst. Geh zurück ins Eßzimmer und mach die Tür hinter dir zu.
    Das tat ich auch; allerdings mußte ich auf Mojo warten, der sich Zeit ließ,

Weitere Kostenlose Bücher