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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Jetzt kümmere dich um diese Dinge, wie du es mußt!
    Aber alles, was ich tat, war, daß ich die Augen noch weiter aufriß und auf die weiße Tischplatte starrte, wo sich der Schnee in kleinen funkelnden Kristallen aufzuhäufen schien; und ich rechnete jeden Augenblick damit, daß dieser Anblick klarer hervortreten werde, was er natürlich nicht tat.
    Das dort war vergossener Tee, nicht wahr? Und zerbrochenes Glas. Schneide dich nicht an den Glasscherben, denn es wird so schnell nicht wieder heilen! Mojo kam heran; seine warme, pelzige Flanke schmiegte sich angenehm an mein zitterndes Bein. Aber wieso kam mir das Gefühl so distanziert vor, als wäre ich in Flanell eingewickelt? Warum roch ich seinen wunderbar sauberen, wolligen Geruch nicht? Also gut, deine Sinne sind begrenzt. Damit hättest du rechnen sollen.
    Und jetzt geh und schau in den Spiegel; sieh dir das Wunder an. Ja, und verschließ einfach den ganzen Raum hier.
    »Komm«, sagte ich zu dem Hund, und wir gingen von der Küche ins Eßzimmer - jeder Schritt, den ich tat, kam mir unbeholfen, langsam und schwerfällig vor -, und mit fummelnden, sehr unpräzisen Fingern schloß ich die Küchentür. Der Wind schlug dagegen und sickerte durch die Spalten, aber die Tür hielt.
    Ich drehte mich um, verlor für einen Augenblick das Gleichgewicht und fing mich gleich wieder. Es sollte doch wohl nicht so schwer sein, diesen Trick herauszubekommen, um Himmels willen. Ich blieb fest auf beiden Beinen stehen, schaute auf meine Füße hinunter und sah erstaunt, wie groß sie waren; dann betrachtete ich meine Hände, die ebenfalls ziemlich groß waren. Aber schlecht sahen sie nicht aus, nein, gar nicht schlecht. Keine Panik! Die Uhr war unbequem, aber ich brauchte sie. Okay, behalte die Uhr. Aber die Ringe? Die wollte ich nun entschieden nicht an meinen Fingern haben. Sie juckten. Wollte sie abziehen. Konnte nicht! Sie saßen fest. O Gott.
    Jetzt hör auf damit. Du wirst hier verrückt, weil du die Ringe nicht vom Finger ziehen kannst. Das ist albern. Langsam. Es gibt zum Beispiel Seife, weißt du. Seif dir die Hände ein, diese großen, dunklen, eiskalten Hände, und die Ringe werden abgehen.
    Ich kreuzte die Arme vor dem Leib und schob die Hände an meinen Seiten herunter; angewidert fühlte ich glitschigen menschlichen Schweiß unter meinem Hemd, so ganz anders als Blutschweiß. Dann holte ich langsam tief Luft, ohne auf das schwere, lastende Gefühl in meiner Brust zu achten, auf das wunde Gefühl des Einatmens und des Ausatmens an sich, und ich zwang mich, mir das Zimmer anzusehen.
    Dies war nicht der Augenblick, um vor Grauen zu schreien. Nein, sieh dir einfach dieses Zimmer an.
    Es war sehr dunkel. Eine Stehlampe brannte hinten in der Ecke, eine andere kleine Lampe stand auf dem Kaminsims, aber trotzdem war es ziemlich dunkel. Mir war, als sei ich unter Wasser, und als sei das Wasser trüb, vielleicht sogar von Tintenwolken vernebelt.
    Das ist normal. Ich bin ein Sterblicher. Sie sehen so. Aber wie grimmig alles aussah, wie partiell; es hatte nichts von der weiten Offenheit der Räume, in denen Vampire sich bewegten.
    Wie gräßlich düster, diese dunkel schimmernden Stühle, der Tisch kaum sichtbar; mattgoldenes Licht kroch in den Ecken herauf, die Stuckverzierungen oben an den Wänden verschwanden im Schatten, im undurchdringlichen Schatten, und die schwarze Leere des Hausflurs war furchterregend.
    Alles konnte sich in diesen Schatten verstecken - eine Ratte, alles mögliche. Es konnte noch ein Mensch im Hausflur sein. Ich schaute zu Mojo hinunter und sah erstaunt, wie undeutlich er wirkte, wie geheimnisvoll auf eine ganz andere Art. Das war es; die Dinge verloren ihre Konturen in dieser Art von Halbdunkel. Unmöglich, ihre stoffliche Beschaffenheit oder ihre Größe richtig einzuschätzen.
    Ah, aber da war ein Spiegel über dem Kaminsims. Ich ging hin, frustriert von der Schwere meiner Glieder und von einer plötzlichen Angst vor dem Stolpern und der Notwendigkeit, mir mehr als einmal selbst auf die Füße zu schauen. Ich schob die kleine Lampe vor den Spiegel und schaute mir ins Gesicht.
    Ah, ja. Jetzt verbarg ich mich dahinter, und wie erstaunlich anders sah es aus! Dahin waren die Angespanntheit und das schreckliche, nervöse Glitzern der Augen. Ein junger Mann schaute mich an, und er sah aus, als habe er ziemlich viel Angst.
    Ich hob die Hand und befühlte den Mund und die Augenbrauen, die Stirn, die ein bißchen höher war als meine, und dann das weiche

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