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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Haar. Das Gesicht war sehr angenehm, unendlich viel angenehmer, als ich gedacht hatte, kantig und ohne harte Falten, sehr gut proportioniert und mit dramatischen Augen. Aber mir gefiel der angstvolle Ausdruck der Augen nicht. Nein, er gefiel mir überhaupt nicht. Ich versuchte, einen anderen Ausdruck zu sehen, die Züge von innen zu beruhigen und sie das Staunen ausdrücken zu lassen, das ich empfand. Aber das war nicht leicht. Und ich bin auch nicht sicher, daß es Staunen war, was ich empfand. Hmmm. Ich sah nichts in diesem Gesicht, das von innen kam.
    Langsam öffnete ich den Mund und sprach. Ich sagte auf französisch, ich sei Lestat de Lioncourt, ich sei in diesem Körper, und alles sei in Ordnung. Das Experiment hatte funktioniert! Dies war die erste Stunde; der Dämon James war fort, und alles hatte geklappt! Jetzt trat etwas von meiner eigenen Wildheit in diese Augen, und als ich lächelte, sah ich endlich meine eigene boshafte Natur für ein paar Sekunden aufblitzen, bevor das Lächeln verschwand und ich wieder ausdruckslos und verblüfft wirkte.
    Ich wandte mich ab und sah den Hund an, der neben mir stand und völlig zufrieden zu mir aufschaute, wie es seine Art war.
    »Woher weißt du, daß ich hier drinnen bin«, sagte ich, »und nicht James?« Er legte den Kopf schräg, und ein Ohr bewegte sich ganz leicht. »Also gut«, sagte ich. »Genug von diesen Schwachheiten und Verrücktheiten, Ans Werk!« Ich ging auf den dunklen Hausflur zu, aber plötzlich rutschte mein rechtes Bein unter mir weg, und ich fiel schwer zu Boden; meine linke Hand schrammte über den Boden, um den Sturz abzumildern; ich schlug mit dem Kopf gegen den Marmorkamin, und ich stieß mir den Ellbogen an der marmornen Kante der Feuerstelle, so daß ein jäher, heftiger Schmerz mich durchfuhr. Klappernd stürzten Schüreisen und Kaminschaufeln über mir zusammen, aber das war gar nichts. Ich hatte mir den Nerv im Ellbogen angeschlagen, und es brannte wie Feuer in meinem Arm.
    Ich drehte mich aufs Gesicht und hielt ein paar Augenblicke lang still, um den Schmerz vorübergehen zu lassen. Erst nach einer Weile merkte ich, daß ein pochender Kopfschmerz in meinem Schädel tobte, weil ich auf die Marmorkante gefallen war. Ich hob die Hand und fühlte nasses Blut in meinem Haar. Blut!
    Ah, wunderschön. Louis fände das alles so amüsant, dachte ich. Ich rappelte mich auf, und der Schmerz verschob und verlagerte sich hinter meiner Stirn nach rechts, als wäre er ein Gewicht, das in meinem Kopf nach vom gerutscht war, und ich hielt mich am Kaminsims fest.
    Einer der vielen bunten kleinen Teppiche lag zusammengedrückt auf dem Boden vor mir. Der Übeltäter. Ich schleuderte ihn mit einem Fußtritt beiseite, wandte mich ab und ging sehr langsam und vorsichtig in den Flur hinaus.
    Aber wo wollte ich hin? Was hatte ich vor? Die Antwort fiel mir jählings ein. Meine Blase war voll, und das Unbehagen hatte zugenommen, als ich gefallen war. Ich mußte pissen.
    Gab es hier unten nicht irgendwo ein Bad? Ich fand den Lichtschalter im Flur und knipste den Deckenleuchter ein. Eine ganze Weile starrte ich zu den vielen winzigen Glühbirnen hinauf – es mußten an die zwanzig Stück sein - und erkannte, daß dies eine ganze Menge Licht sein mußte, was immer ich davon halten mochte; aber niemand hatte mir verboten, jede Lampe im Haus einzuschalten.
    Also machte ich mich ans Werk. Ich ging durch das Wohnzimmer und die kleine Bibliothek und hinten wieder hinaus in den Flur. Wieder und wieder war das Licht eine Enttäuschung für mich; das Gefühl von Düsternis wollte nicht weichen, und die Konturlosigkeit der Gegenstände beunruhigte und verwirrte mich ein wenig.
    Schließlich stieg ich vorsichtig und langsam die Treppe hinauf; jeden Augenblick fürchtete ich das Gleichgewicht zu verlieren oder zu stolpern, und der leise Schmerz in meinen Beinen ärgerte mich. So lang, diese Beine.
    Als ich die Treppe hinunterschaute, war ich wie gelähmt. Du könntest hier zu Tode fallen, sagte ich mir.
    Ich bog um die Ecke und ging in das enge kleine Bad; rasch hatte ich den Lichtschalter gefunden. Ich mußte pissen, mußte jetzt wirklich pissen, und ich hatte es seit zweihundert Jahren nicht mehr getan.
    Ich zog den Reißverschluß der modernen Hose herunter und nahm mein Organ heraus; angesichts seiner Schlaffheit und Größe war ich erstaunt. Aber die Größe war natürlich in Ordnung; wer hat es nicht gern, wenn solch ein Organ groß ist? Und es war beschnitten, was ich

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