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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Aufenthaltes ebenso sauber und gentlemanlike aufführen würde wie ich selbst. Die Suite war luxuriös; große Fenster boten einen Ausblick auf den Potomac, die hellen Teppiche schienen sich in grenzenlose Weiten zu erstrecken, und in hübschen Holzschränken verbargen sich Fernsehapparate und Kühlschränke sowie andere kleine Gerätscharten zuhaut.
    Unverzüglich bestellte ich einen Festschmaus für Mojo und mich; dann öffnete ich die kleine Bar, die vollgestopft war mit Süßigkeiten und anderen kleinen Leckereien wie auch mit Spirituosen. Ich genehmigte mir den allerbesten Scotch. Der Geschmack war absolut grauenhaft! Wie konnte David nur so etwas trinken? Die Schokolade schmeckte viel besser. Fantastisch, verdammt! Ich verschlang sie auf einen Rutsch und rief dann im Restaurant an, um das Menü, das ich eben bestellt hatte, um sämtliche verfügbaren Schokoladendesserts zu erweitern.
    David - ich mußte David anrufen, dachte ich. Aber es war schier unmöglich, mich aus dem Sessel zu erheben und zu dem Schreibtisch mit dem Telefon zu gehen. Und es gab so vieles, über das ich nachdenken und mir klarwerden wollte. Zum Teufel mit allen Beschwerden: Dies war ein höllisches Erlebnis gewesen! Ich gewöhnte mich sogar an diese riesigen Hände, die einen Zoll tiefer baumelten, als sie sollten, und an diese poröse, dunkle Haut. Durfte jetzt nicht einschlafen. Was für eine Verschwendung…
    Die Türglocke ließ mich aufschrecken. Ich hatte geschlafen. Eine volle halbe Stunde sterblicher Zeit war verstrichen. Ich stemmte mich hoch, als müsse ich mit jedem Schritt einen Sack Ziegelsteine schleppen; irgendwie gelang es mir, die Tür zu öffnen und die Zimmerkellnerin hereinzulassen, eine attraktive ältere Frau mit hellgelbem Haar, die einen weißgedeckten, mit Speisen beladenen Tisch in den Salon der Suite rollte.
    Ich gab Mojo sein Steak, nachdem ich ihm mit einem Badelaken seinen Hundetisch gedeckt hatte, und er machte sich daran, lustvoll darauf herumzukauen; dazu legte er sich hin, wie es nur sehr große Hunde tun, und das ließ ihn noch ungetümer erscheinen: Er sah aus wie ein Löwe, der träge an einem Christen nagte, der hilflos zwischen seinen mächtigen Pranken lag.
    Sofort trank ich die heiße Suppe; ich schmeckte nicht viel davon, aber das war bei einer so jämmerlichen Erkältung nur natürlich. Der Wein war wunderbar, viel besser als der vin ordinaire vom Abend zuvor, und obwohl er verglichen mit Blut immer noch sehr dünn schmeckte, stürzte ich zwei Gläser davon hinunter und wollte mich eben über die Pasta hermachen, wie man die Nudeln hier nannte, als ich aufblickte und sah, daß die zaghaft blickende Kellnerin immer noch da war.
    »Sie sind krank«, sagte sie. »Sie sind sehr, sehr krank.«
    »Unsinn, ma chére, sagte ich. »Ich habe eine Erkältung, eine normalsterbliche Erkältung, nicht mehr und nicht weniger.« Ich wühlte mein Bündel Geldscheine aus der Hemdtasche, gab ihr ein paar Zwanziger und sagte, sie solle gehen. Sie zögerte.
    »Sie haben einen ziemlichen Husten«, sagte sie. »Ich glaube, Sie sind richtig krank. Sie waren lange draußen, nicht wahr?«
    Ich starrte sie an. Ihre Fürsorge nahm mir allen Wind aus den Segeln, und ich merkte, daß ich wirklich in Gefahr war, in törichte Tränen auszubrechen. Ich wollte sie warnen, ihr sagen, daß ich ein Monster war und dieser Körper gestohlen. Wie sanft sie war, wie offensichtlich gütig;
    »Wir sind alle miteinander verbunden«, sagte ich. »Die ganze Menschheit. Wir müssen aufeinander achtgeben, nicht wahr?« Ich nahm an, sie werde mit Entsetzen auf diese sentimentalen, mit geschwollener, alkoholisierter Gefühlswallung vorgetragenen Äußerungen reagieren und sofort das Weite suchen. Aber das tat sie nicht.
    »Ja, das müssen wir«, sagte sie. »Lassen Sie mich einen Arzt rufen, bevor das Unwetter schlimmer wird.«
    »Nein, meine Liebste. Gehen Sie jetzt«, sagte ich.
    Und mit einem letzten besorgten Blick ging sie endlich hinaus.
    Nachdem ich den Teller mit den feinen, von Käsesauce bedeckten Nudeln leer gegessen hatte - auch hier wieder salzige Geschmacksarmut -, begann ich mich zu fragen, ob sie nicht recht hatte. Ich ging ins Bad und schaltete das Licht ein. Der Mann im Spiegel sah in der Tat furchtbar aus; seine Augen waren blutunterlaufen, er zitterte am ganzen Leib, und seine von Natur aus dunkle Haut wirkte gelblich, wenn nicht gar bleich.
    Ich befühlte meine Stirn, aber was nützte das? Daran kann ich doch bestimmt nicht

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