Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
englischen Gentleman zurückfallen; es fiel mir alles sehr viel leichter, wenn er es tat. Es war absolut würdelos, mit ihm verhandeln zu müssen, ging es mir durch den Kopf. Ich fragte mich, ob Saul die Hexe von Endor auch so abscheulich gefunden hatte. Aber der Körper… ah, der Körper, wie prachtvoll er war. Selbst in seiner Wut und mit seinem starren Blick auf den Hund konnte er die Schönheit dieses Körpers nicht völlig entstellen.
»Nun, anscheinend haben Sie den Hund auch gestohlen«, sagte ich.
»Ich werde ihn beseitigen«, zischte er und betrachtete den Hund mit wütender Verachtung. »Und Sie? Wie steht es mit Ihnen? Ich gebe Ihnen nicht in Ewigkeit Zeit, sich die Sache zu überlegen. Sie haben mir keine definitive Antwort gegeben. Ich will sie jetzt.«
»Gehen Sie morgen früh zu Ihrer Bank«, sagte ich. »Wir sehen uns nach Einbruch der Dunkelheit. Ach, aber da wäre noch eine Bedingung.«
»Welche?« fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Füttern Sie das Tier. Geben Sie ihm Fleisch.«
Dann verschwand ich so rasch, daß er es nicht sehen konnte; als ich zurückschaute, sah ich, wie Mojo mir durch die verschneite Dunkelheit nachschaute, und ich mußte lächeln bei dem Gedanken, daß der Hund meine Bewegung gesehen hatte, so schnell sie auch gewesen war. Das letzte, was ich hörte, war James, der wütend vor sich hin fluchte, als er die Hintertür zuschlug.
Eine Stunde später lag ich im Dunkeln und wartete auf die Sonne am Himmel; ich dachte wieder an meine Jugend in Frankreich, an die Hunde an meiner Seite, an meinen letzten Ausritt zur Wolfsjagd mit meinen beiden riesigen Mastiffs, die sich langsam ihren Weg durch den tiefen Schnee bahnten.
Und das Gesicht des Vampirs, der mir aus der Dunkelheit in Paris entgegenspähte, mich »Wolfstöter« nannte, mit solcher Ehrfurcht, so wahnsinniger Ehrfurcht, bevor er mir seine Fangzähne in den Hals schlug.
Mojo, ein Omen.
So greifen wir in das tobende Chaos und pflücken ein kleines, glitzerndes Ding, und wir klammern uns daran fest und reden uns ein, es habe eine Bedeutung, und die Welt sei gut, und wir seien nicht böse, und wir würden am Ende alle heimkehren.
Wenn dieses Schwein gelogen hat, dachte ich, werde ich ihm morgen nacht die Brust aufschlitzen, ihm das zuckende Herz herausreißen und es an diesen großen, schönen Hund verfüttern.
Was immer auch passiert, ich werde den Hund behalten.
Und das habe ich getan.
Und bevor diese Geschichte weitergeht, will ich noch etwas über diesen Hund sagen: Er wird in diesem Buch nichts Besonderes tun.
Er wird kein ertrinkendes Baby retten, und er wird nicht in ein brennendes Gebäude stürzen, um die Bewohner aus beinahe tödlichem Schlaf zu wecken. Er ist von keinem bösen Geist besessen, und er ist kein Vampirhund. Er kommt in dieser Geschichte nur deshalb vor, weil ich ihn hinter diesem Haus in Georgetown im Schnee gefunden habe; ich liebte ihn, und von diesem ersten Augenblick an schien er auch mich irgendwie zu lieben. Es entsprach alles zu sehr den blinden und erbarmungslosen Gesetzen, an die ich glaube – den Naturgesetzen, wie die Menschen sagen, oder den Gesetzen des Wilden Gartens, wie ich sie nenne. Mojo liebte in eine Stärke, ich liebte seine Schönheit. Und auf etwas anderes kam es eigentlich nie an.
Zehn
I ch möchte detailliert wissen«, sagte ich, »wie Sie ihn aus seinem Körper vertrieben haben und wie es Ihnen gelungen ist, ihn in den Ihren hineinzuzwingen.«
Es war endlich Mittwoch. Keine halbe Stunde war vergangen, seit die Sonne untergegangen war. Ich hatte ihn erschreckt, als ich auf der Hintertreppe aufgetaucht war.
Jetzt saßen wir in der makellosen weißen Küche, einem Raum, dem für ein solches esoterisches Zusammentreffen in wunderlicher Weise alles Geheimnisumwitterte fehlte. Eine einzelne Glühbirne in einer hübschen Kupferlampe überflutete den Tisch zwischen uns mit weichem zartrosa Licht, was der ganzen Szene eine trügerische Gemütlichkeit verlieh.
Es schneite noch immer, und von der Heizung im Keller kam ein leises und unablässiges Tosen. Ich hatte, sehr zum Ärger des Hausherrn, den Hund mit hereingebracht; nachdem ich ihn eine Weile beruhigend getätschelt hatte, lag er jetzt still wie eine ägyptische Sphinx, die Vorderpfoten auf dem gebohnerten Boden ausgestreckt, und schaute zu uns auf. Hin und wieder warf James ihm einen unbehaglichen Blick zu, und das mit gutem Grund. Der Hund sah aus, als habe er den Teufel im Leib, und der Teufel kannte
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