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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nächstgelegene Seven-Eleven.
    Ich war verzweifelt. Dora wurde immer älter, vielleicht war sie schon alt genug, um sie ihrer Mutter mit Erfolg zu entfremden. Sie liebte sie auf eine besondere Art, irgendwie beschützend. Ein stilles, wortloses Einvernehmen herrschte zwischen ihnen. Und Terry war sehr stolz auf Dora.«
    »Und dann tauchte dieser Freund auf.«
    »Stimmt. Und wäre ich nur einen Tag später gekommen, wären sie weg gewesen. Sie wollte mir glatt entwischen. Zum Teufel mit meinen großzügigen Schecks! Sie wollte mit diesem Hungerleider von Elektriker nach Florida abhauen! Sie hatten Dora nichts davon gesagt, die spielte ein Stück entfernt auf der Straße. Sie hatten schon gepackt! Und da habe ich Terry samt ihrem Freund erschossen, mitten in diesem albernen kleinen Haus in Metairie, wo Terry unbedingt mein Kind hatte großziehen wollen anstatt in der St. Charles Avenue. Ich habe sie beide erschossen. Ihr Blut tropfte auf den Polyesterteppichboden und die Frühstücksbar aus Resopal.«
    »Ich sehe es vor mir.«
    »Ich habe die beiden im Sumpf versenkt. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr selbst in die Hand nehmen müssen, doch es war ganz leicht. Der Kerl hatte seinen Laster in die Garage gestellt; ich lud die beiden auf die Ladefläche und schaffte sie so aus dem Haus. Irgendwo draußen beim Jefferson Highway versenkte ich sie, keine Ahnung, wo genau. Oder war’s bei Chef Menteur? Ja, irgendwo da. Sie verschwanden einfach im Schlamm.«
    »Das kann ich nachempfinden. Mich hat man auch schon mal im Sumpf versenkt.«
    Er war zu erregt, um mein Gemurmel überhaupt wahrzunehmen, und setzte seine Erzählung fort.
    »Dann fuhr ich zurück zu Dora. Sie saß auf den Treppenstufen vorm Haus, die Ellbogen auf die Knie gestützt, verwundert, warum keiner zu Hause war und die Tür verschlossen, so daß sie nicht hereinkonnte. Kaum sah sie mich, rief sie: ›Daddy! Ich wußte, daß du kommst, Daddy!‹
    Ich riskierte gar nicht erst, wegen ihrer Sachen ins Haus zu gehen. Sie sollte das Blut nicht sehen. Ich habe sie zu mir in den Laster gesetzt und bin aus New Orleans herausgefahren. In Seattle, Washington, habe ich den Truck stehenlassen. Eine Odyssee war das, kreuz und quer durchs Land, mit Dora. AU diese Meilen, Wahnsinn. Nur wir beide, und ich redete immerzu. Ich glaube, ich habe versucht, Dora mein ganzes Wissen zu vermitteln. Ich redete nicht von Schlechtigkeit, Selbstzerstörung und Verderbnis, sondern ich sprach über das Gute, über Tugenden und Redlichkeit und darüber, was Menschen korrumpieren kann und welche Dinge wirklich der Mühe wert sind.
    ›Du kannst nicht einfach die Hände in den Schoß legen, Dora‹, sagte ich ihr immer wieder, ›du kannst die Welt nicht lassen, wie sie ist.‹ Ich erzählte ihr sogar, daß ich in meiner Jugend so etwas wie ein religiöser Führer hatte werden wollen, daß ich jetzt dabei sei, eine wunderbare Sammlung aufzubauen mit sakralen Kunstwerken aus aller Welt. Ich hätte angefangen, damit zu handeln, um mir die wenigen Stücke leisten zu können, an denen mir wirklich lag. Ich ließ Dora in dem Glauben, daß dieser Handel mich so reich gemacht hätte, und zu dem Zeitpunkt war das, so komisch es klingt, sogar teilweise wahr.«
    »Aber sie wußte, daß du Terry getötet hattest.«
    »Nein, da hast du etwas Falsches aufgeschnappt. Ich habe gemerkt, daß all diese Erinnerungen sich in meinem Kopf überschlugen, während du mein Blut trankst. Aber es war anders. Sie wußte, daß ich Terry irgendwie losgeworden war, daß ich sie von Terry befreit hatte, daß sie jetzt immer bei Daddy sein, mit ihm überall hinfliegen konnte. Aber das zu wissen bedeutete nicht, von einem Mord zu wissen. Das weiß sie bis heute nicht. Als sie zwölf war, fragte sie mich weinend: ›Daddy, bitte, Daddy, sag mir doch, wo Mutter ist, wohin ist sie mit ihrem Freund gegangen?‹ Ich log ihr vor, ich hätte sie mit der Nachricht von Terrys Tod nicht verletzen wollen. Gott sei Dank war das am Telefon, da kann ich das ganz gut, es ist beinahe, als spräche man im Radio.
    Aber zurück zu Dora, als sie sechs Jahre alt war. Daddy nahm Dora mit nach New York, mietete eine Suite im Plaza. Und seitdem bekam Dora von Daddy alles, was man nur kaufen kann.«
    »Hat sie da denn immer noch Terry nachgeweint?«
    »Ja, aber ich glaube, da war sie die einzige. Vor der Hochzeit hatte Terrys Mutter zu mir gesagt, Terry sei eine Schlampe. Die beiden konnten sich nicht ausstehen. Terrys Vater, ein ehemaliger

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