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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Predigten halten. Zur Abtreibungsfrage nahm sie leidenschaftlich, aber logisch Stellung, wobei sie beiden Seiten zustimmte, indem sie zwar die Heiligkeit allen Lebens betonte, jedoch auch den Frauen das Recht zusprach, über ihren Körper selbst zu bestimmen.«
    »Die Sendung habe ich gesehen.«
    »Vergegenwärtige dir bitte, daß fünfundsiebzig Sender dieses Programm übernommen haben und was die Nachricht von meinem Tod folglich für Doras Kirche bedeuten könnte!«
    Er unterbrach sich, dachte einen Moment nach, dann nahm er den Faden wieder auf, redete wie ein Schnellfeuergewehr.
    »Ich glaube nicht, daß ich je religiöse Sehnsüchte, geistige Ziele sozusagen, hatte, die nicht in gleißendem Materialismus untergegangen sind, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Aber natürlich.«
    »Aber bei Dora ist das anders. Materielle Dinge sind ihr gleichgültig. Die sakralen Kunstwerke, die Ikonen, glaubst du, sie bedeuten ihr etwas? Dora glaubt entgegen jeder psychologischen und intellektuellen Wahrscheinlichkeit an die Existenz Gottes.«
    Wieder hielt er inne, schüttelte bedauernd den Kopf. »Du hast mit deiner Bemerkung vorhin recht gehabt. Ich bin ein Planer, ein Geschäftemacher. Dora ist nicht so.«
    Mir fiel wieder ein, was er in der Bar gesagt hatte. »Für Orte wie diesen habe ich meine Seele verkauft.« Mir war klarer denn je, was er damit meinte.
    »Zurück zur Sache. Ich selbst hatte schon sehr bald die Vorstellung von einer weltlich orientierten Religion aufgegeben. Als Dora ernstlich damit begann, hatte ich diesem Ehrgeiz seit Jahren keinen Gedanken mehr gewidmet. Ich hatte Dora, ich hatte Wynken -meine fixe Idee. Einige seiner Bücher hatte ich noch auftreiben können und durch diverse Verbindungen außerdem noch fünf verschiedene Schriften, in denen sowohl Wynken und Blanche als auch ihr Gatte Damian erwähnt wurden. Leute überall in Amerika und Europa waren von mir auf den mittelalterlichen rheinischen Mystizismus angesetzt worden. Sie fanden in deutschen Texten Wynkens Geschichte in einer verschlüsselten Version. Etwas über Frauen, die den Kult der Diana Wiederaufleben ließen, Hexen und Wynkens Ausschluß aus dem Kloster und seine öffentliche Anklage. Die Niederschrift des Prozesses selbst war allerdings verloren, im Zweiten Weltkrieg verschwunden. Aber es gab noch andere Dokumente, verborgene Briefe - mit dem Codewort Wynken kam man weiter, wenn man erst einmal wußte, wonach man suchte.
    In jeder freien Stunde schaute ich mir Wynkens kleine nackte Menschlein an und flüsterte seine Liebesgedichte vor mich hin; ich konnte sie auswendig! Wenn ich an den Wochenenden Dora sah - wir verabredeten uns, sooft es ging -, trug ich sie ihr vor.
    Sie tolerierte meine »abgewrackte Hippie-Version von freier Liebe und Mystizismus‹ - so nannte sie das. ›Ich liebe dich, Roger, sagte sie immer. ›Aber romantisch, wie du bist, hältst du diesen sündigen Priester für eine Art Heiligen. Aber alles, was er tat, war doch nur, mit diesen Frauen zu schlafen. Und diese Bücher waren nichts anderes als ihr Kommunikationssystem… um Zusammenkünfte zu arrangieren.‹
    ›Aber Dora‹, sagte ich dann, ›in Wynkens Büchern ist nicht ein lasterhaftes oder ekliges Wort. Sieh doch selbst!‹ Da hatte ich schon sechs Bücher. Und alle handelten von der Liebe. Der Mann, der jetzt für mich übersetzte, hatte eine Professur an der Columbia University. Er war sehr verwundert über diese mystische Poesie, in der die Liebe zu Gott und zum Fleisch so sehr miteinander verschmelzen. Aber Dora nahm mir das nicht ab. Allerdings war sie nahezu besessen von ihrer persönlichen religiösen Frage. Sie las zu der Zeit jede Menge Autoren, die über den Zustand der modernen Welt geschrieben haben. Das ist nämlich Doras Besessenheit: der Zustand der heutigen Welt.«
    »Und Dora wäre nicht interessiert, wenn ich ihr Wynkens Bücher brächte?«
    »Nein; wie es zur Zeit steht, würde sie nicht ein Stück meiner Sammlung auch nur anrühren!« Er schien resigniert.
    »Und doch verlangst du, daß ich das alles in meine Obhut nehmen soll?« fragte ich.
    Er seufzte: »Vor zwei Jahren gab es da ein paar Zeitungsartikel. Zwar wurde unsere Verbindung nicht aufgedeckt, aber was Dora selbst betraf, war ich aufgeflogen. Sie hatte schon vorher ihre Vermutungen gehabt. Ihre unvermeidliche Schlußfolgerung war, daß mein Geld nicht sauber sei.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht sauber!« wiederholte er und fuhr fort: »Das letzte, was ich für sie

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