Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
Anhänger, die paar, die i ch nicht überwältigen und voller Bitternis den Flammen überantworten konnte, wie plump nutzten sie ihre neue Freiheit - frei, das Gold aus den Taschen ihrer Opfer zu stehlen, frei, sich in Seide und weiße Perücken zu werfen und in verwundertem Staunen vor den Herrlichkeiten der bemalten Bühne, vor den glanzvollen Harmonien von hundert Geigen, den Possen Verse schmiedender Schauspieler zu sitzen.
Welches Geschick erwartete uns, während wir uns am frühen Abend mit geblendeten Augen durch belebte Boulevards, elegante Herrenhäuser und protzig ausgestattete Ballsäle einen Weg bahnten? Wir tranken Blut in Salons mit Seidentapeten, gegen Damastpolster gelehnt, und in vergoldeten Kutschen. Wir kauften uns selbst hübsche Särge, mit ausgefallenen Schnitzereien und gepolstertem Samt und schlossen uns für die Nacht in goldverzierte, mahagoniegetäfelte Kellerräume ein.
Was wäre aus uns geworden, die wir verstreut waren - meine Kinder der Finsternis von Angst vor mir ergriffen, und ich völlig ungewiss, wann die Affektiertheiten und Aufregungen der französischen Lichterstadt sie zu übereiltem oder scheußlich zerstörerischem Verhalten rühren würden?
Lestat gab mir den Schlüssel zur Lösung, Lestat gab mir den Ort, wo ich mein verwundetes, lärmendes Herz ruhen lassen konnte, wo ich meine Anhänger wieder um mich sammeln konnte, in einem neu erworbenen, annähernd gesunden Geisteszustand.
Ehe er mich in den kläglichen Resten meiner alten Bräuche gestrandet zurückließ, vermachte er mir genau das Boulevardtheater, in dem er einst den jugendlichen Liebhaber der Commedia dell’ Arte gespielt hatte. Die menschlichen Schauspieler waren fort. Nur der elegante, einladende Rahmen war geblieben, mit der Bühne und den bunten Kulissen, mit dem vergoldeten Bogen über dem Proszenium, den Samtvorhängen und den leeren Bänken, die auf die applaudierenden Zuschauer warteten. Dort fanden wir unsere sicherste Zuflucht, wir waren eifrig bereit, die Maske aus fettiger Schminke und Glamour anzulegen, die unsere schimmernde weiße Haut und unsere fantastische Anmut und Geschicklichkeit aufs Beste verhüllten. Schauspieler wurden wir, eine regelrechte Truppe aus Unsterblichen, die heiteren Gemütes vor einem sterblichen Publikum dekadente Pantominen aufführten, ein Publikum, das niemals auf die Idee kam, dass die weißgesichtigen Komödianten größere Ungeheuer waren als die, die sie in ihren kurzen Possenspielen und Tragödien darstellten. Damit war das Théâtre des Vampires geboren.
Und ich, eine wertlose Hülle, verkleidet als Mensch, doch dieses Titels weniger würdig als je in all den Jahren meines Versagens, ich wurde sein Mentor.
Das war das Mindeste, was ich für die verwaisten Kinder des alten Glaubens hin konnte, so munter und glücklich wie sie in einer fröhlichen, gottlosen Welt am Rande einer politischen Revolution waren.
Warum ich dieses Theater so lange rührte, warum ich Jahr um Jahr in dieser ordensähnlichen Gemeinschaft blieb, weiß ich nicht, abgesehen davon, dass ich es brauchte, so dringend brauchte, wie ich je Marius und unseren Haushalt in Venedig gebraucht hatte, oder Allesandra und den Orden unter dem Pariser Friedhof. Ich brauchte einen Platz, zu dem ich vor Sonnenaufgang meine Schritte lenken konnte, einen Platz, in dem ich die anderen meiner Art in Sicherheit wusste, wenn sie sich zur Ruhe legten.
Und ich kann ehrlich sagen, dass meine vampirischen Anhänger mich brauchten.
Sie brauchten den Glauben an mich als ihren Anführer, dem sie vertrauten, und als das Schlimmste eintrat, enttäuschte ich sie nicht. Denn es kam vor, dass uns sorglose Unsterbliche unbedacht in Gefahr brachten, indem sie öffentlich ihre übersinnlichen Fähigkeiten zur Schau stellten oder extrem grausam töteten, so dass ich sie in Gewahrsam nehmen musste. Und mit den Rechenkünsten eines speziell begabten Schwachsinnigen führte ich unsere Geschäfte mit den Menschen.
Steuern, Eintrittskarten, Rechnungen, Heizkosten, Bühnenbeleuchtung, das Hätscheln der guten Stückeschreiber - all das lag in meiner Hand. Hin und wieder war ich sogar ganz schön stolz darauf und genoss es. Mit jeder Saison vergrößerte sich unser Theater und unser Publikum, grobe Bänke machten Samtstühlen Platz, und die billigen Pantomimen wichen aufwändigeren, romantischen Aufführungen.
Wenn ich abends meinen Platz in der mit Samtvorhängen verhüllten Loge einnahm, ein offensichtlich wohlhabender Herr in
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