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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Bettler.«
    Sybelle stand im Türrahmen. »Wir warten auf dich, Armand«, sagte sie. »Und du, Benji, komm sofort herein.«
    »Hör sie dir an, sie wird ganz munter! Und wie sie redet! ›Benji, komm herein‹, sagt sie. Hey, Herzchen, hast du nichts zu tun? Zum Beispiel Klavier spielen?«
    Trotz ihrer Besorgnis kicherte sie kurz. Ich lächelte. Sie waren schon ein merkwürdiges Paar. Sie glaubten i hren eigenen Augen nicht. Aber das war nur zu typisch für dieses Jahrhundert. Ich fragte mich, wann sie es wohl erkennen würden, wann sie zu schreien beginnen würden. »Lebt wohl, ihr lieben Süßen«, sagte ich. »Seid bereit, wenn ich zurückkomme.«
    »Armand, du wirst doch zurückkommen?« In ihren Augen standen Tränen. »Du hast es versprochen.«
    Ich war perplex. »Sybelle«, sagte ich. »Was wollen die Frauen eigentlich immer? Ich liebe dich.«
    Ich ging, hastete die Stufen hinunter, wechselte manchmal die Seiten, wenn mir das Gewicht auf der einen Schulter zu viel wurde. Der Schmerz schwappte in Wellen über mich hinweg, und die plötzliche Kälte draußen tat ihr Übriges, um mich zu quälen.
    »Trinken«, zischte ich. Und was sollte ich mit dem hier machen? So nackt konnte ich ihn unmöglich über die Fifth Avenue schleppen. Die Uhr war das Einzige, woran man ihn identifizieren konnte. Ich zog sie ihm ab, dann rannte ich los und zerrte ihn an einer Hand hinter mir her, über eine Nebenstraße und durch eine enge Gasse. Ich war kurz davor, mich zu übergeben, so widerwärtig empfand ich die Nähe dieser stinkenden Leiche. Der eisige Wind blies mir ins Gesicht, und ich beachtete die unförmigen Gestalten, die mir in der nassen Dunkelheit über den Weg schlurften, genauso wenig wie den einzelnen Wagen, der über den feuchten, glänzenden Asphalt kroch. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich zwei Häuserblocks hinter mich gebracht, und als ich eine passende Gasse fand und ein Grundstück mit einem hohen Tor, das die Bettler fern halten sollte, kletterte ich hastig daran hoch und schleuderte den Leichnam weit von mir in den schmelzenden Schnee. Ich war ihn los. Nun brauchte ich dringend Blut. Keine Zeit für das alte Spielchen, auf einen Todessehnsüchtigen zu warten, der freiwillig zu mir kam, der sich ehrlich nach meiner Umarmung sehnte, wenn er auch von dem fernen Land des Todes, in das er verliebt war, nichts wusste. Ich musste in meinem zu großen Seidenanzug ungeschickt daherstolpern, armer, benebelter Teenie, dem die Haare übers Gesicht hingen, gerade richtig für einen Messerstich, einen Revolverschuss.
    Es dauerte nicht lange. Der Erste war ein betrunkener, armer Teufel, der mich mit Fragen nervte, ehe er sein blitzendes Messer zog und sich auf mich stürzen wollte. Ich stieß ihn gegen die Hauswand und trank unmäßig.
    Der Zweite war ein gewöhnlicher Jugendlicher, ein hoffnungsloser Fall, in dem die Wunden ungerechter Behandlung schwärten, der schon zweimal für das Heroin getötet hatte, das er so dringend brauchte wie ich Blut.
    Diesmal trank ich langsamer.
    Die Stellen meines Körpers mit den schlimmsten Verbrennungen widersetzten sich der Heilung besonders lange, sie juckten und pochten und schlossen sich nur langsam. Und der Durst, der Durst nahm überhaupt kein Ende. Meine Eingeweide brannten, als wollten sie sich selbst verzehren, und meine Augen vibrierten vor Schmerz. Aber die kalte, nasse Stadt mit ihren dumpfen Geräuschen wurde vor meinen Augen immer heller. Stimmen aus weit entfernten Häuserblocks und Klänge aus kleinen Lautsprechern drangen an mein Ohr, und ich konnte hinter den aufreißenden Wolken die zahllosen Sterne sehen.
    Ich war beinahe wieder ich selbst.
    Wer will nun in meine Arme kommen, dachte ich, jetzt in dieser trüben Stunde kurz vor Sonnenaufgang, wenn der Schnee vor der warmen Luft zurückweicht und die Neonlampen verlöschen, und nasse Zeitungen wie Blätter durch einen nackten, eisigen Wald fliegen? Ich nahm die kleinen Besitztümer meines ersten Opfers und ließ sie hier und da in städtische Abfallbehälter fallen. Bitte, einen Killer noch für mich, solange noch Zeit ist, bitte, Schicksal, und prompt stieg er aus einem Wagen, in dem der Fahrer mit laufendem Motor wartete. »Warum dauert das so lange?«, fragte der Fahrer schließlich. »Nur so«, erwiderte ich und ließ seinen Freund fallen. Ich steckte den Kopf durchs Wagenfenster, um ihn mir anzusehen, er war genauso bösartig und dumm wie sein Kumpel. Er wollte sich wehren, aber zu spät. Ich zog ihn über den

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