Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
von Sybelles flinken Fingern, den Ledergürtel. Ich zog ihn ganz stramm. Das musste fürs Erste gehen.
Das hübsch geblümte Kleid um sich ausgebreitet, hockte Sybelle vor mir und krempelte die Hosenbeine um, unter denen nun die nackten braunen Füße sichtbar wurden. Inzwischen hatte ich die Hände durch die Manschetten geschoben, ohne auch nur die Knöpfe zu öffnen. Benji ließ schwarze Halbschuhe vor mir zu Boden fallen, edle Schuhe von Bally, die er offensichtlich nie getragen hatte, der göttliche, kleine Teufel. Sybelle hielt mir einen Socken hin, Benji reichte mir den anderen. Schließlich zog ich das Jackett an und war fertig. Das entzückende Kribbeln in meinen Adern hatte aufgehört. Der Schmerz begann wieder zu toben, es war, als wäre ich auf einen glühenden Faden gezogen, und jemand zöge heftig an der Nadel, um mich zu quälen.
»Gebt mir ein großes Badetuch, ihr Lieben, irgendetwas Gebrauchtes, nichts Besonderes. Nein, das nicht, denk nicht einmal dran!« Voller Abscheu sah ich auf das verfärbte Fleisch meines Opfers. Seine Augen starrten dumpf zur Decke, die kleinen Haare in seinen Nasenlöchern wirkten vor der bleichen, blutleeren Haut noch schwärzer. Das Haar auf seiner Brust war vom To desschweiß verklebt, und daneben, vor dem klaffenden Riss in seiner Brust, lag das zerquetschte Ding, das einst sein Herz gewesen war, das hässliche Beweisstück, das vor den Augen der Welt verborgen werden musste, schon aus Prinzip. Ich schob die Masse zurück in den Brustkorb, dann spuckte ich auf die Wunde und rieb mit meinen Fingern darüber. Benji schnappte hörbar nach Luft.
»Guck nur, Sybelle, es heilt wieder!«, rief er.
»Aber nicht mehr völlig. Ich habe ihn zu leer gesaugt, er ist zu kalt.« Ich sah mich um. Da war seine Brieftasche, Papiere, ein Aktenkoffer, ein Bündel Geldscheine, mit einer schicken, silbernen Klammer zusammengehalten. Ich sammelte alles ein, schob das Geld in eine Hosentasche und den Rest in die andere. Was hatte er noch gehabt? Zigaretten, ein tödliches Klappmesser, und die Pistolen, ah, ja, die Pistolen. Diese Sachen wanderten in die Jackentaschen. Ich schluckte die Übelkeit hinunter und hievte ihn hoch, den grässlich schlaffen Körper mit den erbärmlichen rosafarbenen Shorts und der eleganten Armbanduhr. Er war schwer, aber ich konnte ihn mir über die Schulter werfen. Meine alte Kraft kehrte offenbar langsam wieder zurück.
»Was wirst du tun, wohin gehst du? Armand, du kannst uns nicht verlassen!«, rief Sybelle.
»Er kommt zurück!«, behauptete Benji. »Komm, gib mir die Uhr, schmeiß sie bloß nicht weg!«
»Schhh«, machte Sybelle. »Benji, du weißt verdammt gut, dass ich dir die tollsten Uhren gekauft habe. Fass den Mann nicht an. Armand, können wir dir noch helfen?« Sie kam näher. Dabei zeigte sie auf den herabbaumelnden Arm der Leiche. »Er hat manikürte Nägel. Wie erstaunlich.«
»O ja, er hat immer gut für sich gesorgt«, sagte Benji. »Du weißt, dass die Uhr fünftausend Dollar wert ist?«
»Lass die Uhr!«, rügte sie, und dann: »Armand, du veränderst dich immer noch, dein Gesicht wird voller.«
»Ja, und weh tut es auch«, sagte ich. »Wartet auf mich. Bereitet einen entsprechenden Raum für mich vor, dunkel muss er sein. Ich komme zurück, sobald ich satt bin. Ich muss jetzt trinken, unbedingt, damit die restlichen Wunden heilen. Macht bitte die Tür auf.«
»Ich will erst gucken, ob niemand auf dem Flur ist«, sagte Benji, indem er pflichteifrig zur Tür huschte.
Ich trat auf den Flur hinaus, dabei pendelten die Arme des jämmerlichen Leichnams, den ich mühelos tragen konnte, hin und her und stießen von Zeit zu Zeit gegen meine Beine.
Ich bot einen tollen Anblick in diesen Kleidern. Wahrscheinlich sah ich wie ein Schuljunge aus, der die Secondhandläden nach feinen Fummeln durchstöbert hat und in seinen schicken neuen Schuhen zum nächsten Rockkonzert unterwegs ist. Ich wandte mich an Benji. »Es ist keiner hier draußen, kleiner Freund. Es ist drei Uhr in der Nacht und alle schlafen. Ah, wenn ich richtig sehe, ist das da hinten am Ende des Flurs die Feuertür, richtig? Und auf der Feuertreppe ist auch niemand.«
»Oh, Armand, du bist clever. Das finde ich toll«, antwortete er. Dann kniff er die Augen zusammen und hüpfte geräuschlos auf dem Teppichläufer auf und ab. Dabei flüsterte er: »Gib mir die Uhr!«
»Nein! Sybelle hat Recht«, sagte ich. »Sie ist reich, und ich auch, und du ebenfalls. Benimm dich nicht wie ein
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