Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
Haut strich. Ich starrte zu dem Mann auf, der ein halb ersticktes Grunzen verschluckte und zurücktaumelte. »Um Gottes willen!«
Mein Körper machte sich selbständig, von der Quelle des köstlichen Blutes angezogen wie eine Marionette an ihren Fäden, so flog ich gegen ihn, krallte meine Fingernägel in seinen Nacken und schlang den anderen Arm in einer erstickenden Umarmung um ihn. Meine Zunge schoss vor und leckte an den Kratzern, die meine Nägel verursacht hatten, während ich, ohne auf den glühenden Schmerz zu achten, den Mund weit aufriss und meine Zähne in ihn bohrte.
Ich hatte ihn!
Seine Größe, seine Kraft, seine mächtigen Schultern, die großen Hände, die sich in mein verletztes Fleisch drückten, all das konnte ihm nicht mehr helfen. Ich hatte ihn. Ich sog einen ersten dicken Schwall Blutes in mich hinein und dachte, ich würde ohnmächtig, aber mein Körper ließ es nicht so weit kommen. Mein Körper, ein selbständiges Ding, hatte ihn umklammert, als bestünde er aus lauter unersättlichen Tentakeln.
Sofort wurde ich in seine überdrehten, durchsichtigen Gedankengänge gezogen, in einen glitzernden Wirbel New Yorker Bilder - bedenkenlose Grausamkeiten, bizarre Schreckenstaten, durch Drogen verursachte, ausufernde Energieschübe und eine aufgesetzte Heiterkeit. Ich ließ diese Bilder über mich hinwegschwemmen. Ich konnte ihn nicht schnell sterben lassen. Ich brauchte jeden Tropfen Blut, den er in sich hatte, und zu dem Zweck musste sein Herz noch recht lange schlagen.
Wenn ich je Blut gekostet hatte, das so stark, so herrlich, so salzig war, dann hatte ich es vergessen. Das Gedächtnis konnte diesen köstlichen Geschmack nicht bewahren, diese absolute Verzückung, wenn in der heißen, intimen Umarmung Durst gestillt, Hunger gesättigt, Einsamkeit vergangen war und die Geräusche meines eigenen keuchenden, zischenden Atems mich entsetzt hätten, wenn mir nicht alles egal gewesen wäre.
Scheußlich war es, fürchterliche Töne gab ich bei diesem Schmaus von mir. Meine Finger kneteten seine dicken Muskeln, und die Nase hatte ich gegen seine verhätschelte, seifenduftende Haut gepresst. »Hmmm, ich liebe dich, ich würde dir um nichts in der Welt wehtun, merkst du’s, ist es nicht köstlich?«, flüsterte ich ihm über die Wogen duftenden Blutes zu. »Hmmm, ja, köstlich, besser als der beste Brandy, hmmm…«
Er war so schockiert, so ungläubig, dass er sich plötzlich völlig fallen ließ, sich den Traumbildern ergab, die ich mit jedem zugehauchten Wort noch nährte. Ich riss die Wunde an seinem Hals noch weiter auf, erweiterte die Ader, so dass das Blut noch heftiger hervorschoss. Ein herrlich durchdringender Schauer rann mir den Rücken hinunter bis in die Arme und Beine. Schmerz und Wonne mischten sich, als das heiße, lebendige Blut sich durch die verstopften, mikroskopisch kleinen Fasern meines geschrumpften Fleisches zwängten und die Muskeln unter der verkohlten Haut wieder zum Schwellen brachte, bis es tief ins Mark meiner Knochen gespült wurde. Mehr, ich brauchte mehr.
»Leb noch ein bisschen weiter, du willst doch nicht sterben, komm, leb weiter«, gurrte ich, während ich mit den Fingern durch sein Haar fuhr - ja, Finger, ich hatte wieder Finger, nicht mehr diese urweltlichen, ledrigen Klauen, und sie waren heiß, da war das Feuer wieder, das in meinen versengten Gliedern tobte, jetzt musste der Tod kommen, ich konnte es nicht länger aushalten, aber ich war an einem Scheidepunkt, ich hatte ihn überschritten, und eine Welle betäubender Pein floss durch mich hindurch.
Mein Gesicht füllte sich prickelnd mit Blut, mein Mund füllte und leerte sich, und ich konnte wieder mühelos schlucken.
»Ah, ja, lebendig, du bist so stark, so wunderbar stark …«, hauchte ich. »Hmmm, nein, geh noch nicht, es ist noch nicht so weit.« Seine Knie sackten zusammen, er rutschte langsam auf den Teppich und ich mit ihm, sanft zog ich ihn mit mir, bis wir umschlungen wie Liebende nebeneinander lagen. Ich trank mehr, viel mehr als ich normalerweise getrunken und auch gewollt hätte.
Selbst als junger, gieriger Zögling, wenn ich manchmal zwei oder drei Opfer in einer Nacht genommen hafte, hatte ich nur ganz selten einmal so viel aus ihnen herausgesaugt. Nun war ich bis in die tiefsten, schmackhaftesten Blutgefäße vorgedrungen, die ich samt Inhalt in mich hineinsaugte und mir auf der Zunge zergehen ließ. »Ach, du bist einfach köstlich, ja, ja…«
Aber sein Herz hielt nicht mehr durch,
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