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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hier geschah, verlauten lassen wirst? Bist du noch so jung, dass ich dich daran erinnern muss?« Sie beugte sich nieder und küsste mich.
    »Nein, meine Perle, meine Schöne, das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich werde nicht einmal ihm etwas erzählen.«
    Sie stand da und sammelte ihre verstreuten Perlen und zerdrückten Bänder auf, die letzten Spuren meiner Gewalttat. Sie glättete das Bettzeug. Lieblich wie ein Schwan in Menschengestalt sah sie aus, ein Pendant zu den vergoldeten Schwänen ihres einem Kahn gleichenden Bettes.
    »Dein Herr wird es wissen«, sagte sie. »Er ist ein großer Magier.«
    »Hast du Angst vor ihm? Ich meine, nicht wegen mir, Bianca, sondern im Allgemeinen?«
    »Nein«, antwortet sie. »Warum sollte ich Angst vor ihm haben? Jeder hält sich daran, dass man ihn nicht verärgern oder beleidigen sollte oder seine Abgeschiedenheit stören oder ihn mit Fragen belästigen, aber das hat mit Angst nichts zu tun. Warum weinst du, Amadeo, was fehlt dir?«
    »Ich weiß nicht, Bianca.«
    »Dann werde ich es dir sagen«, erklärte sie. »Er ist ein so außergewöhnliches Wesen, dass er für dich die Welt geworden ist. Du bist aus dieser Welt ausgebrochen, und du sehnst dich danach, zurückzukehren. Ein Mann, wie er es ist, kann alles für einen sein, und was er Kluges sagt, wird für dich zum Gesetz, an dem du alles andere misst. Alles, was jenseits dieser Welt liegt, hat keinen Wert für dich, weil er es nicht wahrnimmt und weil er es nicht für wertvoll hält. Und deshalb hast du keine andere Wahl, als die wertlosen Dinge, auf die sein Licht nicht scheint, hinter dir zu lassen und zu ihm zurückzukehren. Du musst heimgehen.« Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ich schlief. Ich weigerte mich, heimzugehen. Am nächsten Morgen frühstückte ich mit ihr, anschließend verbrachten wir den ganzen Tag miteinander. Durch unseren vertrauten Umgang wirkte ihre Ausstrahlung intensiv auf meine Sinne ein. Sooft sie auch von meinem Gebieter sprach - ich hatte nur Augen für sie, hier, in diesem Moment, in ihren eigenen Räumen, die nach ihr dufteten und all ihre persönlichen und nur ihre eigenen Gegenstände enthielten.
    Bianca werde ich nie vergessen. Niemals.
    Ich erzählte ihr alles über die Freudenhäuser, in denen ich gewesen war, das konnte man natürlich bei einer Kurtisane. Vielleicht kann ich mich an die Einzelheiten so gut erinnern, weil ich ihr alles erzählt habe. Natürlich wählte ich dezente Worte, aber ich erzählte es ihr. Ich erzählte ihr von meinem Herrn, der gewünscht hatte, dass ich dies alles lernte, und dass er mich eigenhändig in diesen erstklassigen Bildungsstätten abgeliefert hatte.
    »Nun, das ist in Ordnung, Amadeo, aber du kannst hier nicht bleiben. Er hat dich dorthin gebracht, wo du vielfältigen Umgang hattest. Er will möglicherweise nicht, dass du nur mit einer Person zusammen bist.«
    Ich wollte nicht gehen. Doch als die Nacht hereinbrach und Biancas Haus sich mit den englischen und französischen Dichtern füllte und Musik und Tanz einsetzten, mochte ich sie auch nicht mit ihren vielen Bewunderern teilen.
    Eine Zeit lang beobachtete ich sie, in dem verwirrenden Bewusstsein, dass ich sie in ihrem privaten Gemach besessen hatte, wie keiner dieser Bewunderer sie je hatte oder haben würde, aber das schenkte mir keinen Trost.
    Ich wollte etwas, das nur mein Herr mir geben konnte, etwas, das endgültig war, das schlüssig war und alles andere tilgte, und rasend von diesem Verlangen, das mir plötzlich vollkommen bewusst war, betrank ich mich in einer Taverne, trank zumindest genug, um nervtötend und ziemlich gemein zu werden, bis ich nach Hause stolperte.
    Ich fühlte mich kühn und trotzig und sehr unabhängig, weil ich meinem Herrn mit seinen Geheimnissen so lange ferngeblieben war. Bei meiner Rückkehr war er in einem wilden Arbeitsrausch. Er stand hoch oben auf dem Gerüst und malte, wie ich dachte, an den Köpfen seiner griechischen Philosophen - übte diese Kunst, die wie lebendig scheinende Gesichter unter seinem Pinsel hervorzauberte, als würden sie nicht auf die Leinwand aufgetragen, sondern nur aufgedeckt. Er trug einen farbverschmierten Überwurf, der ihm bis auf die Füße hing. Als ich eintrat, sah er sich nicht um. Jede im Haus vorhandene Kohlenpfanne schien in den Raum gepfercht worden zu sein, damit er das nötige Licht zum Malen hatte.
    Die Jungen waren erschreckt über die Geschwindigkeit, mit der er die Leinwand füllte.
    Ich merkte bald,

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