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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Riegels, ehe ich nach der Klinke greifen konnte. »Herr, lasst mich ein!«, rief ich. »Ich ging einzig und allein, weil Ihr es befahlt.«
    Ich schaute mich suchend um. Es war unmöglich, diese Tür aufzubrechen. Ich hämmerte mit den Fäusten dagegen und trat davor. »Herr, Ihr habt mich in die Freudenhäuser geschickt! Ihr habt mir diese verhassten Aufträge aufgehalst!«
    Nach langem Warten setzte ich mich vor die Tür, lehnte mich an das Holz und weinte und jammerte. Ich veranstaltete eine reichliche Menge Lärm. Er wartete, bis ich damit aufhörte.
    »Geh schlafen, Amadeo«, sagte er dann. »Mein Wüten hat nichts mit dir zu tun.«
    Unmöglich! Das war eine Lüge! Ich war in höchster Wut und fühlte mich beleidigt und verletzt, und außerdem war mir kalt! Dieses ganze Haus war scheußlich kalt.
    »Dann sollten wenigstens Euer Seelenfriede und Eure Gemütsruhe etwas mit mir zu tun haben, Herr!«, sagte ich. »Öffnet diese verdammte Tür.«
    »Geh zu Bett, wie die anderen«, sagte er ruhig. »Du gehörst zu ihnen, Amadeo. Sie sind deine Liebsten. Sie sind wie du. Strebe nicht nach der Gesellschaft von Ungeheuern.«
    »Ach, ein Ungeheuer seid Ihr also, Herr?«, fragte ich verächtlich und verärgert. »Ihr, der Ihr malen könnt wie Bellini oder Mantegna, der Ihr alle Sprachen lesen und sprechen könnt, der grenzenlose Liebe kennt und die dazugehörige Langmut, Ihr seid ein Ungeheuer! So ist das? Ein Ungeheuer bietet uns Schutz unter seinem Dach und gibt uns unsere täglichen Mahlzeiten aus der Küche der Götter!
    Ach ja, ein Ungeheuer!« Er sagte nichts darauf.
    Mich fasste nur noch größere Wut. Ich lief hinab in das untere Stockwerk. Von der Wand nahm ich eine große Streitaxt, eine der vielen Waffen, die das Haus schmückten, die ich aber bisher kaum beachtet hatte. Jetzt war ihre Zeit gekommen, dachte ich. Ich habe genug von dieser Kälte, ich halte das nicht mehr aus. Ich halte es nicht mehr aus.
    Ich ging zurück nach oben und wuchtete die Axt gegen die Tür. Natürlich zerschmetterte unter ihr das spröde Holz, und der betagte Lack mit den hübschen gelben und roten Rosen zersplitterte, als sie durch die bemalte Türfüllung brach. Ich riss die Axt aus dem Holz und schlug noch einmal zu. Dieses Mal gab auch das Schloss nach. Ich trat mit dem Fuß gegen die zerfetzten Reste des Rahmens, so dass sie ins Zimmer fielen.
    Er saß in seinem großen dunkel gebeizten Eichenstuhl und starrte mich mit absolutem Erstaunen an. Seine Hände umklammerten die Armlehnen mit den geschnitzten Löwenhäuptern. Hinter ihm warf das gewaltige Bett mit dem schweren, roten, mit Gold besetzten Baldachin seinen Schatten.
    »Wie kannst du es wagen!«, sagte er.
    Im Nu hatte er sich vor mir aufgebaut, nahm mir die Axt ab und warf sie mit derartiger Leichtigkeit von sich, dass sie sich in die gegenüberliegende, gemauerte Wand bohrte. Dann hob er mich auf und schleuderte mich auf das Bett, dass es mitsamt seinen Behängen in allen Fugen bebte. Kein normaler Mann hätte mich so weit werfen können. Doch er hatte es geschafft. Mit gespreizten Gliedern landete ich auf den Kissen.
    »Schändliches Ungeheuer!«, rief ich verächtlich.
    Ich drehte mich um, stützte mich mit einem Knie ab und richtete mich halb auf, während ich ihn wütend anfunkelte.
    Er hatte mir den Rücken zugewandt, denn er war auf dem Weg, die inneren Flügel der Doppeltür, die heil geblieben war, zu schließen. Doch nun hielt er inne. Er drehte sich um. Ein schelmischer Ausdruck überzog sein Gesicht.
    »Ach, was haben wir nur für ein bösartiges Temperament, bei einem so engelhaften Äußeren«, sagte er milde.
    »Wenn ich ein Engel bin, so malt mich mit schwarzen Flügeln«, sagte ich, indem ich mich ein wenig vom Bettrand zurückzog. »Du wagst es, meine Tür einzuschlagen.« Er kreuzte die Arme über der Brust. » MUSS ich dir erst erklären, warum ich mir das nicht von dir oder wem auch sonst - bieten lassen kann?«
    Er stand da und betrachtete mich mit hochgezogenen Brauen. »Ihr foltert mich«, antwortete ich.
    »Ach, tatsächlich? Wie denn, und seit wann?«
    Ich wollte losheulen. Ich wollte sagen: »Ich liebe nur Euch.« Stattdessen sagte ich: »Ich verabscheue Euch.«
    Er konnte ein Lachen nicht zurückhalten. Er neigte den Kopf und stützte das Kinn in die Hand, während er mich durchdringend ansah. Dann streckte er die Hand aus und schnippte mit den Fingern, und die lange dünne Rute, die der Lehrer benutzte, schlitterte über den Boden wie von einer

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