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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gehauchte Worte. Dann fiel sein Kopf nach vorn auf den Arm meines Herrn. Mein Herr drückte ihm einen KUSS auf den Hinterkopf, ehe er ihn auf die Tischplatte sinken ließ.
    »Charmant bis zum letzten Moment«, sagte er dabei. »Einfach ein echter Dichter von ganzer Seele.«
    Ich stand auf, indem ich die Bank nach hinten schob, und ging zur Mitte des Saales. Ich weinte und weinte, meine Hand konnte es nicht dämpfen. Ich durchsuchte mein Wams nach einem Ta schentuch, und gerade, als ich mir die Tränen trocknen wollte, stolperte ich rücklinks über den Körper des toten Buckligen, so dass ich beinahe hinfiel. Ich schrie auf, es war ein grässlich dünner, jämmerlicher Schrei. Rückwärts gehend entfernte ich mich von den Leichen des Buckligen und seiner Kameraden, bis ich die schwere, kratzige Wandbespannung im Rücken spürte und mir Staub und Fusseln daraus in die Nase stiegen. »Ach, das war also Euer Ziel«, schluchzte ich. Ich schluchzte und schniefte wirklich und wahrhaftig. »Ihr wolltet, dass ich dies alles verabscheute, ich sollte um sie weinen, mich für sie einsetzen, um ihr Leben bitten.«
    Mein Herr saß immer noch an der Tafel, ganz still, Christus beim Letzten Abendmahl, mit seinen säuberlich in der Mitte gescheitelten Haaren, dem leuchtenden Gesicht, die rosig gefärbten Hände übereinander gelegt, so schaute er mich aus seinen brennenden, feuchten Augen an.
    »Weine ruhig für einen von ihnen, wenigstens für einen!«, sagte er. Seine Stimme wurde grimmig. »Ist das zu viel verlangt? Dass wenigstens ein Toter Bedauern auslöst, wenn es so viele Tote gibt?« Er erhob sich von der Tafel. Die Wut schien ihn zu schütteln. Ich legte mir das Taschentuch übers Gesicht und schluchzte hinein. »Für einen namenlosen Bettler in einem alten Boot als provisorischem Bett, da haben wir keine Tränen übrig, nicht wahr? Und unsere hübsche Bianca wollten wir nicht leiden lassen, weil wir in ihrem Bett den jungen Adonis gespielt haben! Und die hier, die haben alle keine Träne verdient, außer diesem einen, der fraglos der Schlechteste von ihnen war - und warum? Weil er uns schmeichelte! Ist es nicht so?«
    »Ich kannte ihn doch«, hauchte ich. »Ich meine, ich habe ihn in dieser kurzen Zeit kennen gelernt, und …«
    »Und du würdest lieber wollen, dass sie vor dir fliehen, anonym, wie der Fuchs im Gebüsch!« Dabei wies er auf den Wandbehang, auf dem die Königliche Jagdgesellschaft prangte. »Sieh mit deinen menschlichen Augen an, was ich dir zeige.«
    Eine plötzliche Dämmerung überzog den Raum, die vielen Kerzen flackerten. Ich keuchte auf, doch dies hatte nur mein Herr bewirkt, der ganz unvermittelt vor mir stand und auf mich niedersah, ein fiebriges, rot übergossenes Geschöpf, dessen Hitze ich fühlen konnte, als strömte jede seiner Poren warmen Atem aus.
    »Herr«, weinte ich unter verschluckten Schluchzern. »Seid Ihr glücklich über das, was Ihr mich gelehrt habt, oder nicht? Seid Ihr glücklich über das, was ich gelernt habe? Treibt kein Spiel mit mir, wenn es um diese Sache geht! Ich bin nicht Eure Marionette, Herr, nein, das niemals! Wie wollt Ihr mich denn haben? Warum dieser Zorn?« Ich zitterte am ganzen Körper, und die Tränen flössen in Strömen aus meinen Augen. »Für Euch würde ich stark sein wollen, ja, aber ich … ich kannte ihn doch!«
    »Warum denkst du das? Weil er dich geküsst hat?« Er beugte sich zu mir und umfasste mein Haar mit seiner linken Hand, dann riss er mich zu sich heran.
    »Marius, um Gottes willen!«
    Er küsste mich. Er küsste mich, wie Martino mich geküsst hatte, und sein Mund war ebenso menschlich und ebenso heiß. Er schob mir die Zunge in den Mund, und dieses Mal spürte ich nicht das Blut sondern die Leidenschaft eines Mannes, eines Menschen. Seine Finger brannten auf meinen Wangen.
    Ich riss mich los. Er ließ mich gewähren. »Ac h, Euch will ich zurückhaben, meinen kalten, weißen Gott«, flüsterte ich. Ich legte meinen Kopf an seine Brust. Ich hörte sein Herz. Ich konnte es schlagen hören. Nie zuvor hatte ich es gehört, niemals einen Pulsschlag in seinem Körper, in dieser kalten, steinernen Kapelle vernommen. »Ich will Euch zurückhaben, meinen gänzlich leidenschaftslosen Lehrer. Ich weiß nicht, was Ihr wollt.«
    »Ach, mein Liebling«, seufzte er. »Mein Liebster.« Und nun spürte ich sie wieder, die altvertrauten, dämonischen Küsse, die er sanft auf mich herabregnen ließ, nicht die Parodie auf einen leidenschaftlichen Mann, sondern

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