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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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getroffen.
    Riccardo war außer sich. »Schließ die Türen!«, brüllte er. »Wie kann ich, wenn die anderen Jungen ihm vielleicht über den Weg stolpern?«
    Ich rannte hinaus, durch den großen Salon in den Vorsaal, den größten Raum des Hauses.
    Ein weiterer Junge, Jacope, lag zusammengesunken am Boden und stieß mit den Beinen um sich. Ich sah Blut über die Steinplatten rinnen.
    »Oh, das verstößt gegen jeden Anstand, das ist ein Hinschlachten Unschuldiger!«, schrie ich. »Lord Harlech, zeig dich! Du bist so gut wie tot!«
    Hinter mir stieß Riccardo einen Schrei aus. Unser Kleinster war offensichtlich tot.
    Ich rannte zur Treppe. »Lord Harlech, hier bin ich!«, rief ich. »Lass dich blicken, du bestialischer Feigling, du Kinderschlächter! Der Mühlstein für deinen Hals ist schon bereit!«
    Riccardo fasste mich und wirbelte mich herum. »Dort, Amadeo«, flüsterte er. »Ich stehe dir bei.«
    Seine Klinge fuhr zischend aus der Scheide. Er war mit dem De gen wesentlicher besser als ich, doch dies war mein Kampf. Der Kerl stand an der unteren Wand der Eingangshalle. Ich hatte gehofft, er würde sturzbetrunken sein, aber so viel Glück hatten wir nicht. Ich sah auf Anhieb, dass er den Traum, mich gewaltsam mit sich fort zu nehmen, begraben hatte. Er hatte zwei Kinder erschlagen, und er wusste, dass ihn seine Begierde in ein tödliches Duell gerührt hatte. Man konnte wirklich nicht sagen, dass mein Gegner vor Liebe gelähmt war.
    »Jesus im Himmel, hilf uns!«, flüsterte Riccardo.
    »Lord Harlech!«, rief ich. »Du wagst es, aus dem Haus meines Herrn ein Schlachtfeld zu machen!« Damit wir beide einen größeren Freiraum hatten, trat ich einen Schritt zur Seite, während ich Riccardo bedeutete, vorzutreten, fort vom Treppenabsatz. Ich spürte das Gewicht des Degens. Nicht schwer genug. Ich wünschte beim Himmel, dass ich häufiger geübt hätte.
    Der Engländer kam mit wehendem Umhang auf mich zu, seine Füße steckten in schweren Stiefeln. Er war größer, als ich zuvor bemerkt hatte, sein Arm hatte eine ziemliche Reichweite, ein gewaltiger Vorteil für ihn. Er hatte den Degen erhoben und in der anderen Hand den langen italienischen Dolch bereit. Wenigstens besaß er kein richtiges, großes Schwert.
    Seine blauen Augen waren blutunterlaufen, aber sein Gang und sein mörderischer Blick wirkten fest. Bittere Tränen nässten sein Gesicht. »Amadeo!«, rief er laut durch den ganzen Raum, während er herankam. »Du hast mir das Herz bei lebendigem Leibe aus der Brust geschnitten und mit dir genommen! Heute Nacht werden wir zusammen in der Hölle schmoren.«

6
     
    D ie hohe, lang gestreckte Eingangshalle unseres Hauses war zum Sterben einfach ideal. Kein Möbelstück beeinträchtigte die Wirkung des herrlichen Mosaikbodens mit seinen Kreisen aus farbigem Marmor und dem fröhlichen Muster aus rankenden Blumen und kleinen Waldvögelchen.
    Wir hatten für unseren Kampf die ganze freie Fläche, nicht einmal ein Stuhl stand im Weg, der uns hätte aufhalten können, wenn wir einander ans Leder gingen.
    Ich rückte gegen den Engländer vor, ehe ich Zeit hatte, mir einzugestehen, dass ich immer noch nicht besonders gut mit dem De gen war, eigentlich auch nie den richtigen Instinkt fürs Fechten entwickelt hatte. Und dass ich keine Ahnung hatte, was mein Herr jetzt gewollt hätte, das heißt, was er mir raten würde, wäre er denn hier. Ich machte ein paar kühne Ausfälle, die Lord Harlech so leicht parierte, dass ich eigentlich den Mut hätte verlieren müssen. Doch just in dem Augenblick, als ich dachte, ich müsste erst einmal zu Atem kommen und mich vielleicht sogar davonmachen, rauschte er mit seinem Dolch heran und erwischte mich am linken Arm. Der Schnitt brannte und fachte meine Wut wieder an.
    Ich ging abermals auf ihn los, und mit beträchtlichem Glück gelang es mir dieses Mal, ihm einen Hieb an der Kehle zu versetzen. Es war nur ein Kratzer, doch das Blut strömte und tropfte auf sein Gewand, und er war ebenso wütend über den kleinen Schnitt wie ich zuvor. »Du verdammter, grauenvoller kleiner Teufel!«, beschimpfte er mich. »Zuerst bringst du mich dazu, dich anzubeten, und anschließend lässt du mich zu deinem Vergnügen in Qualen vergehen. Du hattest mir versprochen, zurückzukommen!«
    Dieses verbale Sperrfeuer hielt er tatsächlich während des ganzen Kampfes in Gang. Er schien es zu brauchen, etwa so wie Soldaten die anfeuernden Klänge von Flöte und Trommel in der Schlacht. »Komm her, du

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