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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Jetzt hat es David erwischt. Ich selbst bin immun dagegen, aber David hat es erwischt.
    In mir wurde es ganz still. Ich werde dagegen ankämpfen, beschloss ich und ließ meinen Kopf auf dem Kissen zur Seite sinken, in der Hoffnung, meine Wange auf eine kühle Stelle legen zu können. Zwar hörte ich Merricks Stimme, die den Männern zurief, dass sie sofort herkommen sollten, aber auf ihrem Feldbett sah ich eine andere Person sitzen.
    Es war ein großer, hagerer Mann mit brauner Haut und schmalem Gesicht. Seine Arme waren mit Jadespangen bedeckt. Seine Stirn war hoch, und die Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Er sah mich ruhig an. Ich registrierte ein langes dunkelrotes Gewand, ich sah seine Zehennägel im Licht glänzen. »Du bist es also wieder?«, sagte ich. »Du meinst, du könntest mich töten? Du meinst, du kannst aus deinem uralten Grab heraus nach meinem Leben trachten?«
    Seine friedliche Miene veränderte sich kaum, als er flüsterte: »Ich will dich nicht töten. Gib die Maske zurück, um deiner selbst willen und um ihretwillen.«
    »Nein«, sagte ich. »Das kann ich nicht, das musst du einsehen. Ich kann ein solches Geheimnis nicht ruhen lassen. Ich kann es nicht einfach ignorieren. Du hast deine Zeit gehabt, und nun ist meine Zeit gekommen, und deshalb nehme ich die Maske mit. Sie nimmt sie mit, genau genommen. Aber selbst wenn sie nachgäbe, würde ich sie mitnehmen.«
    Ich fuhr fort, mit ihm zu diskutieren, mit leiser, vernünftiger Stimme, damit er mich verstand. Ich sagte: »Das Leben gehört den Lebenden.« Aber inzwischen quoll das Zelt beinahe über von den Männern, die uns hierher begleitet hatten. Jemand hatte mir ein Thermometer unter die Zunge geschoben. Und Merrick sagte: »Ich fühle keinen Puls.« Wie ich nach Guatemala City kam, weiß ich nicht. Und auch an das Krankenhaus erinnere ich mich nicht - es hätte überall auf der Welt sein können.
    Oft fand ich mich allein mit dem braunhäutigen Mann mit dem ovalen Gesicht und den Jadespangen an den Armen, auch wenn er häufiger schwieg, als dass er sprach. Wenn ich versuchte zu sprechen, antworteten mir andere Leute, und dann zerfloss der Mann einfach, da eine andere Welt jene ersetzte, die ich zurückgelassen hatte.
    Wenn ich bei vollem Bewusstsein war - was selten genug geschah -, redete ich mir ein, dass man in Guatemala genug über die tropische Krankheit wusste, unter der ich litt. Ich hatte keine Angst. Ich konnte aus der Miene meines bronzefarbenen Besuchers ablesen, dass ich nicht im Sterben lag. Und ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass man mich schließlich in ein Krankenhaus in New Orleans brachte. Der Besucher erschien in New Orleans nicht mehr. Zu dem Zeitpunkt war ich auf dem Wege der Besserung, und als ich langsam wieder einen Tag vom andern unterscheiden konnte, war auch mein Fieber gesunken, und das »Toxin« hatte meinen Körper verlassen. Bald schon benötigte ich keine Infusionen mehr. Meine Kräfte kehrten zurück. Meine Erkrankung war nichts Besonderes. Sie hatte etwas mit einer Amphibienart zu tun, mit der ich im Dschungel in Berührung gekommen sein musste. Diese Tiere auch nur zu streifen konnte tödlich sein. Aber ich war wohl eher indirekt damit in Kontakt gekommen. Merrick und die Männer waren nicht erkrankt, das erzählte sie mir bald, und ich war sehr erleichtert, obwohl ich zugeben musste, dass ich mich in meinem verwirrten Zustand ungehörigerweise gar nicht gefragt hatte, ob sie auch gefährdet waren.
    Merrick kam sehr häufig zu mir, aber Aaron war fast immer da. Und kaum machte ich den Mund auf, um Merrick etwas Wichtiges zu fragen, tauchte ein Arzt oder eine Schwester auf. Hin und wieder brachte ich auch die vorhergegangenen Ereignisse zeitlich durcheinander, aber das wollte ich niemandem eingestehen. Und dann und wann, ganz selten, erwachte ich nachts und war mir sicher, im Traum wieder im Dschungel gewesen zu sein. Zwar war ich genau genommen noch krank, aber man brachte mich schließlich doch mit einem Krankenwagen nach Oak Haven, wo ich im Obergeschoss in einem Raum an der Frontseite des Hauses untergebracht wurde.
    Es war eines der schöneren, hübsch ausgestatteten Zimmer. Am selben Abend schon trat ich, mit Hausmantel und Pantoffeln bekleidet, vor die Haustür. Es herrschte Winter, aber alles war wunderbar grün, und der leichte Wind vom Fluss her mir willkommen. Endlich, nachdem ich mich zwei Tage lang nur oberflächlich unterhalten konnte, was mich fast verrückt machte, kam Merrick

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