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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wieder an sich und hob die Puppe in die Höhe. »Nein«, sagte Louis bestimmt, »sie hat Puppen nie gemocht. Nein, diese Puppe ist nicht wichtig. Obwohl, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt - sie wurde zusammen mit dem Rosenkranz und dem Tagebuch gefunden. Ich weiß nicht, warum sie sie behalten hat. Ich weiß nicht, warum sie sie versteckt hat. Vielleicht wollte sie, dass ein zukünftiger Finder um sie trauert, wollte ihn wissen lassen, dass sie selbst in einem Puppenkörper eingeschlossen war, vielleicht wollte sie, dass wenigstens ein einziger Mensch Tränen um sie vergoss. Ja, ich glaube, so muss es gewesen sein.«
    »Rosenkranz, Puppe, Tagebuch«, sagte Merrick sanft. »Und die Tagebucheinträge? Wissen Sie, was darin stand?«
    »Ich kenne nur einen Abschnitt, das, was Jesse Reeves gelesen und mir erzählt hat. Die Puppe hatte Lestat Claudia an ihrem Geburtstag geschenkt, und sie hasste sie. Sie hatte versucht, ihn zu verletzen, sie hatte über ihn gespottet, und er hat ihr mit den Zeilen aus einem alten Theaterstück geantwortet, die ich nie vergessen werde.«
    Er senkte den Kopf, aber er wollte seiner Traurigkeit nicht vollständig nachgeben. Trotz seines Schmerzes waren seine Augen trocken, als er die Worte zitierte:
     
    Bedecke ihr Antlitz;
    Meine Augen sind geblendet;
    Sie starb jung.
     
    Bei der Erinnerung daran verzog ich schmerzlich das Gesicht. Lestat hatte selbst sein Urteil gesprochen, als er ihr diese Worte sagte, er hatte sich damit ihrer Wut ausgeliefert. Claudia hatte es gewusst. Deshalb hielt sie diesen ganzen Zwischenfall fest seine unwillkommene Gabe, die Tatsache, dass sie der Spielsachen müde war, ihren Zorn wegen ihrer körperlichen Beschränkungen, und dann seine so sorgsam gewählten Verse. Merrick gewähr te Louis eine kleine Pause. Sie ließ die Puppe in ihren Schoß sinken und reichte Louis dann abermals das Tagebuch. »Es gibt mehrere Eintragungen«, sagte sie. »Zwei sind nicht von Bedeutung, aber wegen einer der anderen werde ich Sie bitten, meinen Zauber zu wirken. Und es gibt noch eine weitere aufschlussreiche Eintragung, die müssen Sie lesen, ehe wir fortfahren.« Louis machte immer noch keine Anstalten, das Tagebuch entge genzunehmen. Er sah Merrick ehrerbietig an, wie zuvor schon, aber er streckte nicht die Hand nach dem weißen Büchlein aus, sondern fragte: »Warum muss ich das lesen?«
    »Louis, überlegen Sie doch einmal, was Sie von mir verlangen! Und doch können Sie sich nicht überwinden, die Worte zu lesen, die Claudia eigenhändig niedergeschrieben hat?«
    »Das ist schon lange her, Merrick«, erwiderte er. »Jahre bevor sie starb, hatte sie dieses Tagebuch schon versteckt. Ist nicht das, was wir vorhaben, viel wichtiger? Ja, reißen Sie eine Seite heraus, wenn Sie sie benötigen. Welche auch immer, es spielt keine Rolle, benutzen Sie sie nach Gutdünken, nur bitten Sie mich nicht, auch nur ein Wort zu lesen.«
    »Doch! Sie müssen es lesen«, sagte Merrick außerordentlich sanft. »Lesen Sie es mir und David vor. Ich weiß, was da steht, und Sie müssen es erfahren, und David ist hier, um uns beiden zu helfen. Bitte die letzte Eintragung, lesen Sie sie laut vor.« Louis starrte sie durchdringend an, und dann legte sich ein feiner Schleier blutroter Tränen über seine Augen. Er schüttelte kurz, beinahe unmerklich, den Kopf, doch dann nahm er das Tagebuch aus ihrer Hand entgegen.
    Er schlug es auf, blickte darauf nieder, ohne es wie ein Sterblicher ins Licht halten zu müssen.
    »Sehen Sie«, sagte Merrick schmeichelnd. »Das dort ist nicht wichtig. Sie erzählt nur, dass Sie ge meinsam im Theater waren. Sie schreibt, dass Sie Macbeth sahen, Lestats Lieblingsstück.« Louis nickte, während er die dünnen Seiten umblätterte. »Und das da, das ist auch nicht von Bedeutung«, fuhr sie fort, als wolle sie ihn mit ihren Worten durchs Feuer geleiten. »Sie schreibt, dass sie weiße Chrysanthemen liebt und einer alten Frau einen Strauß abgekauft hat, sie schreibt, es seien Friedhofsblumen.« Abermals schien er kurz davor, vollkommen die Beherrschung zu verlieren, aber er hielt die Tränen zurück. Wieder blätterte er um. »Da, das ist es, das müssen Sie lesen«, sagte Merrick und legte ihre Hand auf sein Knie. Ihre Finger streckten sich und umfassten in der altbekannten Geste sein Bein. »Bitte, Louis, lesen Sie es mir vor.« Er sah Merrick lange an, dann blickte er auf das Blatt nieder. Seine Stimme kam sacht wie ein Flüstern, aber ich wusste, dass sie ihn

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