Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
unsterblichen Bluttrinkern, dene n ich begegnet bin, so war wie er. In den Jahren, die ich mit ihm verbracht hatte, hatten wir gemeinsam viel Wunderbares gesehen. Wir hatten die Uralten unserer Spezies gesehen und uns bei diesen Besuchen reichlich klein gefühlt, denn ihrer ansichtig, hatte man für Louis’ langwährendes Forschen nach unserer Herkunft nur noch müden Spott übrig.
Während unserer letzten Zusammenkünfte hatten viele der Alten Louis ihr machtvolles Blut angeboten. Sogar Maharet, die Uralte, deren Zwillingsschwester unser aller Mutter war, hatte ihn heftig gedrängt, von ihren Adern zu trinken. Ich betrachtete das Ganze mit ziemlichen Vorbehalten. Maharet schien sich durch einen derart schwachen Vampir persönlich gekränkt zu fühlen.
Louis hatte ihr Angebot abgelehnt. Er hatte sie zurückgestoßen. Ich werde dieses Gespräch nie vergessen. »Ich schätze nicht etwa meine Schwächen«, hatte er erklärt. »Dein Blut überträgt ungeheure Kraft, das stelle ich nicht in Frage. So dumm bin ich nicht. Aber aus dem, was ich von euch erfahren habe, weiß ich, dass die Möglichkeit, sterben zu können, einen wichtigen Stellenwert hat. Wenn ich dein Blut trinke, werde ich, wie du jetzt auch, zu stark für den schlichten Akt der Selbsttötung. Und das kann ich nicht zulassen. Erlaube mir, der Mensch unter euch zu sein. Erlaube, dass ich meine Kraft langsam gewinne, so wie es bei dir auch war, durch die Zeit und durch menschliches Blut. Ich würde dann nicht zu dem werden, was Lestat wurde, indem er von den Uralten trank. Ich würde nicht so stark und stände einem leichten Tod nicht so fern.« Maharets offensichtliches Missvergnügen hatte mich erstaunt. An Maharet ist gar nichts einfach, weil genau genommen alles einfach ist. Damit meine ich, dass sie so alt ist, dass ihre Mimik die ganz normalen, zarteren Emotionen nicht mehr widerspiegelt, es sei denn, sie bemüht sich gnädigerweise bewusst darum. Als Louis sich ihr verweigerte, hatte sie jedes Interesse an ihm verloren, und meines Wissens schaute sie ihn nicht einmal mehr an und erwähnte ihn nie wieder. Natürlich tat sie ihm nichts - Gelegenheiten dazu gab es genug -, aber für sie war er kein lebendes Wesen mehr, keiner mehr von uns. So jedenfalls dachte ich. Aber wer war ich eigentlich, dass ich über ein Geschöpf wie Maharet urteilte? Dass ich sie gesehen hatte, dass ich ihre Stimme gehört hatte, dass ich sie für kurze Zeit an ihrem Zufluchtsort besuchen durfte - das war Grund genug, ihr dankbar zu sein. Ich selbst hatte für Louis großen Respekt empfunden, weil er nicht geneigt war, das eine, wahre Elixier der dunklen Götter zu trinken. Louis war von Lestat zum Vampir gemacht worden, als dieser noch sehr, sehr jung war. Und Louis war beträchtlich stärker als ein Mensch und durchaus in der Lage, Menschen mit einem Bann zu belegen. Er konnte selbst den raffiniertesten sterblichen Gegner mit Leichtigkeit übermannen. Obwohl er den Gesetzen der Schwerkraft stärker unterworfen war als ich, konnte er sich sehr schnell bewegen, was ihm, zu seiner Freude, ein hohes Maß an Unsichtbarkeit verlieh. Er war jedoch kein Gedankenleser und kein Schnüffler. Und Louis würde höchstwahrscheinlich sterben, wenn er sich der Sonne aussetzte, wenn er auch schon über die Stufe hinaus war, dass die Sonne ihn zu Asche verbrannte, wie es einst Claudia mit ihren gerade siebzig Vampirjahren geschehen war. Louis brauchte immer noch jede Nacht Blut. Und Louis konnte mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, in den Flammen eines Scheiterhaufens den Tod zu finden. Ich schauderte, als ich mir die vorsätzliche Selbstbeschränkung dieses Geschöpfs und seine scheinbare Weisheit vor Augen hielt. Mein eigenes Blut war bemerkenswert stark, da es von Lestat kam, der nicht nur von Marius, dem Uralten, getrunken hatte, sondern sogar von der Königin der Verdammten, der Ahnherrin aller Vampire. Ich war mich nicht sicher, was ich tun müsste, um meine Existenz zu beenden, aber ich wusste, es wäre nicht einfach zu bewerkstelligen. Lestat selbst war es vermutlich ange sichts seiner Abenteuer und seiner Fähigkeiten nicht mehr möglich, diese Welt mit welchen Mitteln auch immer zu verlassen. Diese Gedanken verunsicherten mich derart, dass ich nach Louis’ Hand griff und sie umklammerte.
»Diese Frau … diese Merrick hat große Macht«, begann ich meinen Bericht. »Sie hat mir heute Abend schon ein paar Tricks vorgeführt, und ich habe keine Ahnung, warum oder wie sie es
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