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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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allen wichtigen Anlässen an, die sich innerhalb des Ordens ergaben, ob Merrick nun - ihr bevorzugtes Modell für solche Abende - ein hervorragend geschnittenes schwarzes Seidenkostüm trug, das ihre runden Formen betonte, oder einen etwas salopperen dunklen Hosenanzug.
    Zu jener Zeit war Merrick eine gefeierte Schönheit, und mit schöner Regelmäßigkeit verliebten sich die jüngeren Mitglieder des Ordens in sie und beklagten sich bitter, weil sie ihre Annäherungen und sogar ihre Komplimente zurückwies. Merrick sprach nie über Liebe oder über die Männer, die sich für sie interessierten. Ich hatte den Verdacht, dass sie gut genug Gedanken lesen konnte, um sich sehr isoliert und fremd vorzukommen, selbst in unseren geheiligten Hallen.
    Ich selbst war mitnichten immun gegen ihren Charme. Manchmal empfand ich ihre Gegenwart sogar als belastend, derart frisch und lieblich und einladend war sie. In streng geschnittener Kleidung sah Merrick besonders aufregend aus, mit ihren üppigen, hoch angesetzten Brüsten und den gut geformten Beinen unter dem züchtigen Rocksaum.
    Auf einem kurzen Ausflug nach Rom machte mich mein Verlangen nach ihr ganz besonders elend. Ich verfluchte die Tatsache, dass das Alter mich noch nicht von solchen Qualen erlöst hatte, und tat, was ich konnte, um es vor ihr zu verheimlichen. Ich denke, sie wusste es trotzdem, und sie neigte nicht gerade zu Mitleid.
    Nach einem prächtigen Mahl im Hotel Hassler ließ sie die Bemerkung fallen, dass ich in ihrem Leben der einzige interessante Mann sei.
    »Ganz schönes Pech, findest du nicht auch, David?«, fragte sie anzüglich. Zwei Kameraden aus der Talamasca, die gerade zu unserem Tisch zurückkehrten, unterbrachen diese Unterhaltung. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, war aber auch zutiefst verstört. Ich konnte sie nicht besitzen, das stand ganz und gar außer Frage, und dass ich so sehr nach ihr verlangte, war für mich selbst überraschend.
    Irgendwann nach diesem Besuch in Rom widmete sich Merrick in Louisiana eine Zeit lang der Aufzeichnung ihrer Familienge schichte - das heißt, dem, was sie, wenn man von den okkulten Fähigkeiten absah, von ihrer Familie wusste. Diese Aufzeichnungen stellte sie, zusammen mit hervorragenden Abzügen all ihrer Daguerreotypien und Fotografien, diversen Universitäten zur beliebigen Nutzung zur Verfügung. Diese Familienhistorie - ohne Merricks und einige andere Namen, die man wiedererkennen könnte - ist heute tatsächlich den bedeutenden Sammlungen über die »gens de couleur libres« oder »die Geschichte schwarzer Familien in den Südstaaten« angegliedert.
    Aaron erzählte mir, dass das Projekt Merrick emotional erschöpfte, aber sie hatte gesagt, les mystères verfolgten sie und es müsse einfach getan werden. Lucy Nancy Marie Mayfair verlangte es, und ebenso die Große Nananne. Und auch der weiße Onkel Julien aus dem feinen Vorstadtviertel. Aber als Aaron nachhakte, ob sie sich wirklich von einem Spuk verfolgt fühle oder ob sie nur der Vergangenheit Respekt zollen wolle, erwiderte Merrick nichts, außer, dass es Zeit wäre, wieder zurück an die Arbeit in Übersee zu gehen.
    Was nun ihre afro-amerikanische Abstammung anging, war Merrick immer ganz offen und erzeugte häufig Verblüffung, wenn sie darüber sprach. Doch fast überall hielt man Merrick für eine Weiße.
    Zwei Jahre studierte sie in Ägypten. Nichts konnte sie aus Kairo weglocken, bis sie mit einer intensive n Untersuchung ägyptischer und koptischer Schriften in Museen und Bibliotheken rund um den Globus begann. Ich erinnere mich daran, wie ich mit ihr durch das düstere, schmutzige Museum in Kairo ging und ganz entzückt von ihrer unvermeidlichen Schwärmerei über die Geheimnisse Ägyptens war. Diese Reise endete damit, dass sie nach dem Essen volltrunken in meinen Armen lag. Glücklicherweise war ich nicht ganz so betrunken wie sie. Ich glaube, wir wachten Seite an Seite auf dem Bett liegend auf, beide noch sittsam bekleidet. Es war tatsächlich so, dass Merrick inzwischen für ihre - wenn auch nur gelegentlichen - Trinkorgien berüchtigt war. Und mehr als nur einmal hatte sie die Arme um mich geschlungen und mich auf eine Art geküsst, die mich ungeheuer aufreizte und zur Verzweiflung trieb.
    Ich widerstand jedoch ihren deutlichen Einladungen. Ich sagte mir, und wahrscheinlich mit Recht, dass ich mir ihr Verlangen wohl nur einbildete. Außerdem war ich viel älter, und von einem jungen Menschen anzunehmen, dass er Verlangen nach

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