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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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jedes Mal, wenn ich sie besuchte, diese hundert Kerzen anzünden würde. Es wäre nur ein kleiner Beweis meiner unvergänglichen Liebe zu ihnen.
    Wie kam ich dazu? Ich weiß es wirklich nicht genau. Aber von da an sorgte ich stets für einen Vorrat an Kerzen in dem Schrein; ich verwahrte sie hinter dem Thron der beiden, und nach diesem Lichtopfer pflegte ich dann das Bronzegestell aufzufüllen und das geschmolzene Wachs zu entfernen.
    Anschließend kehrte ich nach Florenz oder Venedig zurück, oder auch zu dem wohlhabenden, von hohen Mauern umgebenen Städtchen Siena, wo ich mich in die Betrachtung der unterschiedlichsten Gemälde vertiefte.
    In der Tat durchstreifte ich Paläste und Kirchen in ganz Italien, berauscht von dem, was ich sah.
    Wie schon beschrieben, hatte eine Verschmelzung christlicher Thematik mit dem antiken, heidnischen Malstil stattgefunden, die sich überall fortsetzte. Und wenn ich auch immer noch Botticelli für den absoluten Meister hielt, so verblüfften mich doch viele der gesehenen Werke durch ihre plastische Darstellung und ihre erstaunliche Schönheit.
    Und was ich in den Schenken und Weinstuben hörte, sagte mir, ich müsse auch die Malereien in den Ländern jenseits der Alpen sehen.
    Das waren natürlich unerwartete Neuigkeiten, denn der Norden war für mich immer eine recht unzivilisierte Gegend gewesen, aber mein Hunger nach dem neuen Stil war so groß, dass ich den Empfehlungen folgte.
    Ich hatte das nördliche Europa ganz falsch eingeschätzt, denn überall dort, besonders aber in Frankreich, fand ich vielgestaltiges kulturelles Leben. Es gab große Städte und Königshöfe, wo die Malerei gefördert wurde. Es gab also für mich vieles zu lernen. Doch mir gefiel diese Kunst nicht.
    Den Werken von Jan van Eyck, von Rogier van der Weyden, von Hugo van der Goes und Hieronymus Bosch und anderen Künstlern brachte ich zwar großen Respekt entgegen, aber ihre Arbeiten weckten nicht das gleiche Entzücken in mir wie die Bilder der italienischen Maler. Die Welt des Nordens war nicht so voller Poesie. Nicht von solcher Lieblichkeit. Sie trug immer noch den verzerrenden Stempel der ausschließlich der Religion gewidmeten Kunst.
    Und so kehrte ich bald in die Städte Italiens zurück, wo ich für mein Umherstreifen reichlich belohnt wurde. Ich erfuhr auch, dass Botticelli bei einem großen Meister Unterricht genommen hatte, nämlich bei Filippo Lippi, und dass dessen Sohn, Filippino Lippi, im Moment mit Botticelli zusammenarbeitete. Aber zu den Malern, die ich besonders liebte, zählten auch Gozzoli und Signorelli und Piero della Francesca, darüber hinaus gab es noch so viele, dass ich sie hier nicht weiter erwähnen will. Aber während dieser ganzen Zeit, in all den langen Nächten, die ich mit dem Studium der Malerei, mit meinen kleinen Reisen, mit hingebungsvoller Betrachtung des einen oder anderen Freskos, des einen oder anderen Altarbildes zubrachte, vermied ich stets den Traum, Botticelli in meine Welt hinüberzuholen, und ich weilte nie lange irgendwo in seiner Nähe. Ich wusste, dass er erfolgreich war. Ich wusste, dass er malte. Und das genügte mir vollauf.
    Aber in mir begann sich eine Idee zu rühren – eine Idee, nicht weniger stark als der frühere Traum, Botticelli zu verführen. Was, wenn ich wieder in die Welt der Sterblichen eintrat, um mich als Maler darin zu etablieren? O nein, nicht als Maler, der Aufträge entgegennehmen wollte, das wäre unsinnig, sondern als exzentrischer Edelmann, der zum eigenen Vergnügen malte und Sterbliche in sein Haus einlud, an seinem Tisch zu speisen und seinen Wein zu trinken.
    Hatte ich das nicht, wenn auch sehr stümperhaft, schon einmal getan, in längst vergangenen Nächten, ehe Rom zum ersten Mal geplündert wurde? Ja, da hatte ich die Zimmerwände meines Hauses mit plumpen, hastig hingetuschten Bildern versehen und mir dabei das gutmütige Gelächter meiner Gäste gefallen lassen. O ja, tausend Jahre waren seitdem vergangen, mehr sogar, und ich konnte nicht mehr so leicht als Sterblicher durchgehen. Ich war nun zu bleich und gefährlich stark. Aber war ich nicht raffinierter, klüger und im Umgang mit der Gabe des Geistes viel erfahrener? Außerdem war ich inzwischen eher gewillt, meine Haut mit den nötigen Abdeckmitteln zu versehen, um ihren übernatürlichen Schimmer zu dämpfen.
    Ich war verzweifelt darauf aus, die Sache anzugehen! Florenz kam dafür natürlich nicht in Frage. Da war mir Botticelli zu nahe. Er würde auf mich

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