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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ihnen zuteilen wollte. Auch die Tatsache, dass der Mann schon alt war, fand ich erfreulich, so würde ich nicht qualvoll mitansehen müssen, wie seine Jugend langsam dahinschwand. Eher konnte ich, wenn es auch töricht war, voller Stolz sagen, dass ich ihm wenigstens im Alter zu einem äußerst angenehmen Leben verhalf.
    Und wie stieß ich auf diesen Mann? Nun, ich ging durch die Straßen und las in den Gedanken der Leute, um zu finden, worauf ich aus war.
    Ich besaß größere Fähigkeiten denn je zuvor. Ohne Mühe fand ich die Übeltäter. Ich hörte die geheimen Gedanken der Leute, ob es darum ging, mich betrügen zu wollen, oder nur darum, dass sie meinen bloßen Anblick genossen. Und Letzteres war gefährlich.
    Du magst jetzt fragen, warum. Die Antwort ist, dass ich inzwischen äußerst empfänglich für Zuneigung und Liebe war, und wenn man mich mit geneigten Blicken betrachtete, merkte ich es und verhielt meinen Schritt. Welch seltsame Stimmung mich überkam, wenn mich bei meinem Gang durch die Arkaden des Markusplatzes jemand bewundernd ansah. Ich wandte mich dann bewusst langsam um, ging vielleicht sogar ein paar Schritte zurück und entfernte mich nur zögernd, einem Vogel gleich, der unter nördlichem Himmel die wärmenden Sonnenstrahlen auf seinen Flügeln genießt.
    Inzwischen hatte ich Vincenzo mit Gold versehen ausgeschickt, damit er sich feine Kleider kaufte. Ich wollte einen Edelmann aus ihm machen, soweit es die Luxusgesetze der Stadt gestatteten. Ich saß an meinem neuen Schreibtisch in dem geräumigen, mit Marmor ausgelegten Schlafgemach, wo der Wind vom Kanal durch die offenen Fenster wehte, und verfasste lange Listen mit weiteren luxuriösen Dingen, die ich gern haben wollte. In meinem Schlafgemach sollte ein prunkvolles Bad eingebaut werden, wie wir es früher in Rom hatten, damit ich mich nach Lust und Laune des warmen Wassers erfreuen konnte. Ich wollte Borde für meine Bücher und einen eleganteren Stuhl für diesen Schreibtisch. Natürlich sollte es auch eine richtige Bibliothek geben. Ein Haus ohne Bibliothek war kein Haus für mich. Und ich wollte die eleganteste Kleidung, wollte modische Hüte und Schuhe aus Leder.
    Ich zeichnete Skizzen für die Handwerker, die meine Ideen umsetzen sollten.
    Es war eine berauschende Zeit. Endlich nahm ich wieder am Leben teil, und mein Herz schlug mit den Herzen der Menschen im gleichen Takt.
    Am Kai mietete ich eine Gondel und ließ mich stundenlang durch die Kanäle treiben, während ich die beeindruckenden Fassaden betrachtete, die die Wasserwege Venedigs einfassten. Ich ruhte auf einen Ellenbogen gestützt und lauschte den Stimmen, den Blick zu den Sternen erhoben.
    Meine erste Schar Lehrlinge sammelte ich mir von diversen Goldschmiede- und Malerwerkstätten zusammen. Dabei tat ich mein Bestes, um die intelligentesten auszuwählen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Benachteiligung, Vernachlässigung und Misshandlung erfahren hatten. Sie würden mir höchste Loyalität beweisen und ihr unverbrauchtes Wissen mitbringen, und ich schickte sie, nachdem ich ihnen ein paar Goldmünzen in die Hand gedrückt hatte, in ihr neues Heim.
    Natürlich besorgte ich mir notwendigerweise auch eine paar tüchtige Gehilfen, aber ich wusste, ich käme mit den mittellosen Knaben hervorragend zurecht. Zwang wäre nicht erforderlich. Mein Wunsch war inzwischen, die Knaben so gut auszubilden, dass sie die Hohe Schule besuchen könnten –, für Malerlehrlinge nicht unbedingt üblich –, deshalb stellte ich Tutoren ein, die tagsüber ins Haus kamen, um den notwendigen Unterricht zu geben.
    Die Jungen sollten Latein, Griechisch, Philosophie, die neu entdeckten, hoch geschätzten »Klassiker« und Mathematik lernen und was man sonst noch für ein gutes Fortkommen im Leben brauchte. Wenn sie sich beim Malen hervortaten und das als ihre Zukunft sahen, konnten sie natürlich diesen Weg einschlagen und die Hohe Schule aus ihrem Gedächtnis streichen. Endlich summte mein Haus bis zum Dach von ganz normaler lebhafter Aktivität. In der Küche wirtschafteten die Köche, Musikanten lehrten meine Knaben zu singen und die Laute zu spielen, Tanzmeister gingen ein und aus, und auf den Marmorböden der großen Salons fanden Übungskämpfe mit dem Degen statt. Aber meine Türen standen nicht allen offen wie damals in Rom. Hier in Venedig ging ich vorsichtiger vor, war mir der Wirkung meiner List nicht gewiss, war mir nicht sicher, welche Fragen meine verrückte Malerei aufwerfen

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