Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Eure Porträts von mir sind im ganzen Haus verteilt. Alle sind überaus neugierig auf den Maler, aber ich sage nichts, denn ich weiß ja ehrlich nichts. In Liebe, Bianca
Als ich von dem Blatt aufblickte, sah ich Amadeos Blick stumm und prüfend auf mir ruhen.
»Kennt Ihr sie, Herr?«, fragte er mich sachlich, was Riccardo überraschte, der jedoch schwieg.
»Das weißt du doch, Amadeo. Sie hat es dir gesagt, und du hast die Porträts, die ich von ihr gemalt habe, an den Wänden gesehen.«
Ich spürte jähe, wilde Eifersucht in ihm aufflammen. Aber er verzog keine Miene. Geh nicht zu ihr. Das sagte mir seine Seele. Und ich wusste, dass er Riccardo weit fort wünschte, damit wir das dämmrige Bett mit den verhüllenden Samtbehängen für uns hätten.
Ich spürte eine Sturheit in ihm, die sich nur auf unsere Liebe konzentrierte. Wie sehr mich das verlockte und vollkommene, tiefste Hingabe in mir weckte!
»Aber ich möchte, dass du dich erinnerst«, sprach ich ihn unvermittelt auf Russisch an.
Das löste Bestürzung in ihm aus, denn er verstand die Worte nicht.
»Amadeo«, ich kehrte zu der venezianischen Mundart zurück, »erinnere dich an die Zeit, ehe du hierher kamst. Erinnere dich, Amadeo! Wo lebtest du da?«
Röte stieg ihm in die Wangen. Er war unglücklich, als hätte ich ihm einen Schlag versetzt.
Riccardo tätschelte ihn tröstend und sagte: »Herr, es ist zu schwer für ihn.« Amadeo schien wie gelähmt. Ich erhob mich von meinem Schreibtisch, legte einen Arm um ihn und küsste ihn auf die Stirn.
»Komm, denk nicht mehr daran. Wir werden Bianca besuchen. Zu dieser Stunde ist es ihr immer recht.«
Riccardo staunte, dass er um diese Zeit noch ausgehen durfte; Amadeo war immer noch etwas benommen. Wir fanden Bianca von einem dichten Kreis munter schwatzender Gäste umgeben, darunter Florentiner und auch die erwähnten Engländer. Bianca strahlte, als sie mich erblickte. Sie zog mich von den anderen fort, hinüber zu ihrem Schlafzimmer, wo das aufgeputzte Schwanenbett wie auf einer Bühne prangte.
»Endlich seid Ihr gekommen«, sagte sie, »ich bin so froh. Ihr wisst ja gar nicht, wie sehr ich Euch vermisst habe!« Wie herzlich ihre Worte waren. »Für mich gibt es nur einen Maler, Marius, und das seid Ihr.« Sie wollte mich küssen, aber das war mir zu riskant. Ich beugte mich rasch nieder, drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schob sie ein Stückchen von mir fort. Ach, diese strahlende Lieblichkeit. Wenn ich in ihre Mandelaugen blickte, war es, als träte ich in ein Gemälde Botticellis ein. Ohne dass ich den Grund dafür wusste, spiegelte mir meine Erinnerung vor, dass ich in meinen Händen die dunklen, duftenden Locken Zenobias hielt, die ich einstmals am anderen Ende der Welt vom Fußboden eines Hauses aufgesammelt hatte.
»Bianca, meine Liebe«, sagte ich, »ich wäre bereit, mein Haus zu öffnen, wenn Ihr für mich als Dame des Hauses die Gäste empfangt.« Dass meine eigenen Lippen diese Worte sprachen, versetzte mir einen regelrechten Schock. Mir war nicht bewusst gewesen, dass dieser Satz auf meiner Zunge lag, aber jetzt, da mein Traum ausgesprochen war, fuhr ich eilig fort: »Ich habe weder Frau noch Tochter. Kommt also Ihr und empfangt meine Gäste.« Ihre triumphierende Miene besiegelte die Angelegenheit. Ja, so würde es sein.
»Ich werde es allen sagen«, bestätigte sie sofort. »Ja, ich will für Euch die Gastgeberin spielen, mit Stolz und Freude. Aber sicher werdet Ihr doch auch selbst zugegen sein?«
»Wenn der Empfang am Abend stattfinden kann?«, fragte ich. »Kerzenschimmer steht mir besser als das helle Tageslicht. Ihr bestimmt den Abend, und ich werde meine Dienerschaft anweisen, alles vorzubereiten. Im Moment stehen und hängen meine Bilder in allen Räumen. Euch ist klar, dass ich sie nicht zum Kauf anbiete? Ich male zu meinem Vergnügen. Und für die Gäste wird es an Speis und Trank geben, was Ihr für richtig haltet.« Wie glücklich sie dreinblickte. Ich sah, wie Amadeo sie von der Seite ansah, ein wenig verliebt in sie und ein wenig entzückt, uns zusammen zu sehen, obwohl es ihn schmerzte. Riccardo wurde von älteren Männern in ein Gespräch gezogen, die ihm wegen seines hübschen Gesichts schmeicheln wollten.
»Ihr sagt mir, was serviert und welche Weine ausgeschenkt werden sollen«, sagte ich zu Bianca. »Betrachtet meine Dienerschaft als die Eure. Ich richte mich ganz nach Euren Anweisungen.«
»Das ist herrlich!«, erwiderte sie. »Ganz
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