Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Venedig wird da sein, das verspreche ich; ihr werdet die beste Gesellschaft vorfinden. Alle Leute platzen Euretwegen vor Neugier. Oh, und wie sie tuscheln! Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie himmlisch das wird.« Und genau so kam es. Innerhalb eines Monats traf sich bei mir die ganze Stadt. Aber wie anders war es doch als die Nächte im alten Rom, wo die Leute auf meinen Ruhebetten lungerten und sich in meinem Garten übergaben, während ich wie im Wahnsinn Bilder auf die Wände bannte.
O ja, wie anständig meine prächtig gekleideten venezianischen Gäste waren, als ich eintraf. Natürlich stellten sie mir tausend Fragen. Dann schaute ich sie mit verhangenem Blick an und ließ die menschlichen Stimmen auf mich wirken, als wären es Küsse. Ich dachte: Du bist mitten unter ihnen, als gehörtest du wahrhaftig dazu. Es ist, als wärest du wirklich lebendig. Was machte es mir schon aus, dass sie ein wenig an meinen Gemälden herumkrittelten. Ich strengte mich an und tat mein Bestes, aber eigentlich zählte ja nur eines wirklich – die Vitalität, die kraftvolle Ausstrahlung der Bilder!
Und hier stand meine liebliche blonde Bianca inmitten meiner besten Werke, von allen als Herrin meines Hauses anerkannt und endlich einmal denen entkommen, die sie zu ihren üblen Taten anstifteten.
Amadeo beäugte das Ganze mit stummem Groll. Seine verborgenen Erinnerungen quälten ihn wie ein Krebsgeschwür, und doch wusste er nicht, warum, weil er sie nicht wahrnehmen und erfassen konnte.
Kaum einen Monat später fand ich ihn nach Sonnenuntergang in der großen Kirche auf dem nahen Inselchen Torcello, wohin er offensichtlich auf eigene Faust einen Ausflug gemacht hatte. Ich sammelte ihn vom kalten, feuchten Boden auf und brachte ihn heim. Mir war natürlich klar, wie es dazu gekommen war. Er hatte dort die Ikonen gesehen, wie er sie selbst einst gemalt hatte. Er hatte alte Mosaiken aus früheren Jahrhunderten dort gefunden, wie er sie als Kind in russischen Kirchen gesehen hatte. Nicht, dass er sich erinnert hätte! Er war einfach beim Herumstreifen auf etwas gestoßen, was für ihn die einzig wahre Kunst war – spröde, strenge Bildnisse im byzantinischen Stil –, und zusätzlich hatte ihm die herrschende Hitze ein Fieber eingebracht. Ich schmeckte es auf seinen Lippen, sah es in seinen Augen. Als ich bei Sonnenaufgang gehen musste, ging es ihm noch nicht besser, und ich war halb wahnsinnig, weil ich ihn in Vincenzos Obhut zurücklassen musste, und eilte in der Abenddämmerung sofort wieder an seine Seite. Die in seinem Kopf kreisenden Gedanken schürten das Fieber. Ich packte ihn wie ein Kind in Decken und trug ihn in eine venezianische Kirche, weil er die wunderbaren Bildnisse mit den natürlichen, kraftvollen Gestalten sehen sollte, wie man sie in den letzten Jahren malte. Aber ich merkte, es war vergebens. Sein Geist würde sich nie öffnen, sich nie wirklich wandeln. Ich brachte ihn heim und legte ihn wieder aufs Bett. Ich versuchte zu verstehen: Seine Welt war eine Welt der Buße und asketischen Anbetung, Malen für ihn ein freudloser Akt gewesen. Und genau betrachtet war das ganze Leben in dem fernen Russland von einer solchen Strenge, dass er die Freuden nicht genießen konnte, die ihn hier an jeder Ecke erwarteten.
Besessen von seinen Erinnerungen und doch unfähig, sie zu verstehen – dieser Zustand brachte ihn langsam an den Rand des Todes. Ich durfte das nicht zulassen. Ich ging ruhelos im Zimmer hin und her und wandte mich an seine Pfleger. Immer fluchte ich zornig vor mich hin. Ich durfte es nicht zulassen. Ich würde ihn nicht sterben lassen.
Mit strengen Worten schickte ich alle aus dem Zimmer. Ich beugte mich über Amadeo, biss mir in die Zunge, bis es blutete, und ließ dann einen dünnen Strahl des Blutes in seinen Mund sickern. Er schien aufzuleben, leckte sich die Lippen ab, und dann schien sein Atem leichter zu gehen, und seine Wangen röteten sich. Ich fühlte seine Stirn, sie war jetzt kühler. Er schlug die Augen auf, sah mich an und sagte: »Herr«, wie ich es so oft von ihm gehört hatte, dann schlief er sanft und traumlos ein.
Es war genug. Ich ging vom Bett fort und schrieb schnell und mit kratzender Feder in mein dickes Tagebuch:
Er ist unwiderstehlich, aber was soll ich tun? Anfangs wollte ich ihn für mich, erklärte ihn zu meinem Besitz, und nun heile ich seine Krankheit mit Dem Blut, das ich ihm so gern ganz geben würde. Doch während ich seine Erkrankung behandle, hoffe ich auf
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