Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
ich glaube, dann sagte ich: »Wir sind beide Mörder, Bianca, du und ich.«
Ich sah, dass Amadeo weinte. Er hatte den Gästen draußen den Rücken zugewandt, und auf seinem Gesicht glänzten Tränen. Und sie, die duftende Schöne mit dem aufgeflochtenen Blondhaar, kam und setzte sich kühn neben mich, und ebenso kühn ergriff sie meine Hand.
»Ja, wir sind beide Mörder, mein Gebieter«, sagte sie, »ja, ich kann mich verteidigen, wie du verlangt hast. Doch du musst wissen, dass ich meine Aufträge von denen bekomme, die mich nur allzu leicht auf gleiche Art zur Hölle schicken könnten. Sie sind diejenigen, die den todbringenden Wein zusammenmischen. Und sie bestimmen, wem ich ihn reichen soll. Und ich weiß nie die Gründe. Ich weiß nur eins, gehorche ich ihnen nicht, so sterbe ich ebenfalls.«
»Dann sag mir, wer sie sind, mein bester Schatz«, verlangte ich.
»Ich habe Appetit auf sie. So sehr, wie du dir nicht im Traum vorstellen kannst.«
»Es sind Verwandte«, erklärte sie. »Ein schönes Erbe lastet da auf mir! Eine schöne Familie hab ich da! Und solche Männer sind meine Vormunde!«
Sie hatte zu weinen begonnen und klammerte sich nun an mich, als wäre meine Kraft plötzlich für sie das einzig Wirkliche. Mir wurde klar, dass es stimmte. Meine eben noch ausgestoßenen Drohungen hatten sie nur umso fester an mich gebunden. Amadeo wagte sich nun näher und drängte mich, ohne Rücksicht auf Blutsbande alle zu töten, die Bianca in der Hand hatten und für ihr Elend verantwortlich waren.
Ich hielt sie fest, als sie betrübt den Kopf hängen ließ. In ihrem Geist, der mir so oft verschlossen gewesen war, las ich nun die Namen, als stünden sie ganz deutlich dort geschrieben. Ich kannte die Männer; sie waren alle aus Florenz und hatten oft hier bei Bianca vorgesprochen. In dieser Nacht gaben sie in einem benachbarten Haus ein Festmahl. Geldverleiher waren sie, manche sagten wohl, sie führten eine Bank, doch ihre Opfer waren stets Leute, von denen sie Kredit genommen hatten und denen sie das Geliehene nicht zurückzahlen wollten.
»Bald bist du sie los, meine Schöne«, versprach ich und streifte sie leicht mit meinen Lippen.
Sie wandte sich mir zu und übersäte mich mit zahllosen, heftigen Küssen.
»Und was schulde ich dir dafür?«, fragte sie dabei, während sie begann, mein Haar zu streicheln.
»Nur dein Schweigen darüber, was du heute Nacht gesehen hast.« Sie sah mich mit ihren Mandelaugen gelassen an, und ihr Geist verschloss sich mir so fest, als wolle sie mir nie wieder auch nur einen Gedanken enthüllen.
»Ich verspreche es feierlich, mein Gebieter«, flüsterte sie, »und das macht mir das Herz umso schwerer.«
»Nein, ich werde ihm die Last nehmen«, sagte ich, während wir uns zu gehen anschickten. Wie tragisch ihr jäher Tränenstrom schien. Als ich Bianca küsste, schmeckte ich die Tränen und wünschte, sie wären Blut, da ich doch dem Blut in ihren Adern auf immer abschwören wollte.
»Weine nicht um die, die dich nur benutzt haben«, hauchte ich, »geh zurück in den Salon, zu Frohsinn und Musik. Überlass mir die finsteren Aufgaben.«
Wir fanden die Florentiner an ihrer Festtafel, schon trunken, sodass sie uns kaum beachteten, als wir ohne Erklärung und ohne uns vorzustellen eintraten und an der überladenen Tafel Platz nahmen. Ein paar Musikanten spielten lärmende Musik. Der Boden war schlüpfrig von vergossenem Wein. Amadeo war ganz begeistert und aufgeregt und schaute aufmerksam zu, wie ich langsam und methodisch einen nach dem anderen verführerisch umarmte, lustvoll sein Blut trank und dann den Körper nach vorn auf die unter dem Gewicht ächzende Tafel sinken ließ. Die Musikanten flohen aus dem Raum. Innerhalb einer Stunde hatte ich sie alle umgebracht, die sich Biancas Verwandtschaft nannten. Und nur um einen – den Letzten, der sich am längsten mit mir unterhalten hatte, ohne zu merken, was um ihn herum geschah –, nur um den weinte Amadeo tatsächlich und bat um sein Leben. Würde ich diesem einen Gnade erweisen, obwohl er nicht weniger schuldig als die anderen war?
Umringt von Leichen saßen schließlich nur noch wir beide in dem verheerten Speisesaal, wo die Speisen auf den silbernen und goldenen Tellern und Platten längst erkaltet waren und Wein aus umgestoßenen Kelchen rann. Jetzt, als Amadeo unaufhörlich weinte, sah ich zum ersten Mal in seinen Augen Furcht und Schrecken.
Ich sah auf meine Hände nieder. Ich hatte so viel Blut getrunken, dass sie
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