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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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überhaupt genug Wissen und Erfahrung, um eine solche Entscheidung treffen zu können? Konnte er auf ewig dem Sonnenlicht abschwören?
    Mir fehlte die Antwort darauf. Seine Entscheidung spielte keine Rolle mehr. Denn ich hatte meine getroffen. Und was meine strahlende Bianca betraf – deren Gedanken blieben mir nach diesem Ereignis für immer verschlossen, als wisse sie, einer listigen Hexe gleich, wie man das bewerkstelligte. Was ihre Hingabe, ihre Liebe, ihre Freundschaft anging, nun, das war etwas anderes.

 
     
     
21
     
    I ch besaß in Venedig einen unbewohnten Palazzo. Dort, in einem verborgenen Gelass knapp über dem Wasserspiegel, hatte ich einen wundervoll gearbeiteten Sarkophag aus Granit untergebracht, wo ich nun während des Tages schlief. Der Raum war mit Gold ausgekleidet und mit vielen Fackeln bestückt, und eine Treppe führte nach oben zu einer Tür, die nur ich zu öffnen imstande war.
    Vom Ausgang des Palazzos musste man eine Reihe Stufen hinunter zum Kanal – wenn man denn seine Beine benutzte, was ich natürlich nicht tat.
    Vor mehreren Monaten hatte ich eine zweiten, nicht minder schönen und ebenso gewaltigen Sarkophag herstellen lassen, sodass nun zwei Bluttrinker sich in jener goldverzierten Kammer gemeinsam zur Ruhe legen konnten, und dort erhob ich mich am nächsten Abend. Ich spürte sofort, dass mein eigentlicher Wohnsitz in Aufruhr war. Ich hörte von fern das Wimmern der kleineren Knaben und die heißen Gebete Biancas. Ein Gemetzel hatte unter meinem Dach stattgefunden!
    Natürlich dachte ich, es hinge mit den florentinischen Edelleuten zusammen, die ich getötet hatte, und während ich zu dem Palazzo eilte, verfluchte ich mich, dass ich diese aufsehenerregende Tat nicht unter größeren Vorsichtsmaßnahmen begangen hatte. Aber nichts war weiter von der Wahrheit entfernt. Als ich die Stufen vom Dachgarten hinunterrannte, musste mir niemand erst erzählen, dass ein betrunkener englischer Edelmann auf der Suche nach Amadeo wie ein Wilder durch das Haus getobt war. Für ihn hegte er eine verbotene Leidenschaft, die Amadeo noch angefeuert hatte, indem er mit ihm während meines Fortseins mehrere Nächte lang herumgeschäkert hatte.
    Und ebenso schnell eröffnete sich mir die entsetzliche Nachricht, dass Lord Harlech, bevor er Amadeo zum Kampf gefordert hatte, grausam und wahllos kaum siebenjährige Kinder abgeschlachtet hatte.
    Natürlich wusste Amadeo sowohl Degen als auch Dolch zu handhaben und war dem Schurken mit beiden Waffen in der Hand entgegengetreten. Er hatte Lord Harlech sogar tödlich getroffen, doch erst, nachdem der ihm Gesicht und Arm mit seiner vergifteten Klinge geritzt hatte.
    Als ich das Schlafgemach betrat, lag Amadeo dem Tode nah im Fieber, er war besinnungslos, Priester mühten sich um ihn, und Bianca kühlte ihm mit einem feuchten Tuch die Stirn. Überall standen Kerzen. Amadeo trug noch die Kleider vom Vorabend, doch war an dem verwundeten Arm der Ärmel abgetrennt.
    Riccardo weinte. Die Lehrer weinten. Die Priester hatten Amadeo schon die letzte Ölung gegeben. Mehr konnte man nicht tun. Bianca wandte sich eilig um, mich zu begrüßen. Ihr hübsches Kleid war mit Blut befleckt. Mit bleichem Gesicht trat sie auf mich zu und klammerte sich an meinen Ärmel.
    »Er kämpft nun seit Stunden«, sagte sie. »Er phantasiert davon, dass er ein riesiges Meer überquerte und eine wundersame Himmelsstadt erblickte. Er weiß jetzt, sagt er, dass die Liebe der Stoff ist, aus dem alle Dinge gemacht sind. Alle Dinge! Verstehst du?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Er sah eine Stadt aus Glas – so hat er es beschrieben«, sagte sie, »Liebe war ihr Urstoff, wie bei allem, was wächst. Er sah die Priester seiner Heimat, und sie sagten ihm, dass für ihn noch nicht die Zeit gekommen sei, diese Stadt zu erreichen. Sie schickten ihn zurück.«
    Sie sah mich flehend an: »Sie haben doch Recht, nicht wahr? Ich meine, diese Priester, die er sah? Seine Zeit zu sterben ist noch nicht gekommen?«
    Ich antwortete nicht darauf.
    Sie eilte wieder an seine Seite, und ich stellte mich hinter sie. Ich sah zu, wie sie abermals seine Stirn kühlte.
    »Amadeo«, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme, »atme mir zuliebe, atme deinem Herrn zuliebe. Amadeo, atme!« Ich sah, dass er ihr gehorchen wollte. Seine Augen waren geschlossen, dann öffneten sie sich, doch sie sahen nichts. Seine Haut war vergilbt wie altes Elfenbein. Sein Haar war vom Gesicht zurückgeschoben und enthüllte den grausamen Schnitt, den

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