Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
ziehen uns jetzt zurück«, erklärte ich, »und wir kümmern uns sofort um die Planung des Festes. Erlaube mir, dir Vincenzo herzuschicken.«
»Ja«, stimmte sie zu, »und ich verspreche dir, dein Haus wird an jenem Abend prachtvoller sein als der Dogenpalast, warte es nur ab.«
»Meine Prinzessin«, hauchte ich, wobei ich ihr einen Kuss aufdrückte. Dann ging sie zurück zu ihren Gästen, und wir eilten über Stufen zum Kanal zu unserer Gondel, wo Amadeo sofort in inständiges Flehen ausbrach: »Marius, ich halte das nicht aus, diese Kluft zwischen ihr und uns – dass wir ihr nichts sagen dürfen!«
»Amadeo, kein Wort mehr davon!«, warnte ich ihn. Schließlich im Schlafzimmer, hinter verschlossenen Türen, ließ er seinen Tränen freien Lauf.
»Herr, ich durfte ihr nicht erzählen, was mir widerfahren ist! Und ich habe Bianca doch immer alles erzählt. O nein, nicht von den Geheimnissen zwischen uns beiden oder von den blutigen Küssen, aber sonst alles. Wie oft habe ich mit ihr zusammengesessen und geredet: Herr, ich bin so oft ohne dein Wissen am Tage zu ihr gegangen. Sie war mir eine Freundin. Herr, ich kann das nicht aushalten! Herr, sie war wie meine Schwester.« Er schluchzte wie ein kleiner Junge.
»Ich habe dich deswegen gewarnt, und nun weinst du wie ein Kind!«, ereiferte ich mich und versetzte ihm einen zornigen Schlag. Verblüfft schrak er vor mir zurück, aber seine Tränen flossen umso heftiger.
»Herr, warum können wir sie nicht zu einer von uns machen? Warum können wir ihr nicht auch Das Blut geben?« Ich packte ihn grob bei den Schultern, doch er hatte keine Angst, es kümmerte ihn nicht.
»Amadeo, jetzt hör! Wir können diesem Verlangen nicht nachgeben. Ich habe mehr als tausend Jahre gelebt, ohne einen Bluttrinker zu schaffen, und du, der du kaum ein paar Monate einer bist, willst gleich die erste Sterbliche verwandeln, für die du in Liebe entbrannt bist?«
Er weinte zum Steinerweichen. Er wollte sich losreißen, aber ich hielt ihn fest.
»Ich hätte ihr so gerne erzählt, wie anders ich mit meinen neuen Augen sehe«, flüsterte er. Die blutigen Tränen rannen ihm über die kindlich weichen Wangen. »Ich hätte ihr so gerne erzählt, wie anders die Welt mir erscheint.«
»Amadeo, du weißt, wie wertvoll das ist, was du nun hast, und du kennst den Preis, den du dafür zahlst. Zwei lange Jahre habe ich dich darauf vorbereitet, und es war immer noch zu früh, vorzeitig getan wegen Lord Harlechs vergifteter Klinge. Und nun willst du diese Macht auf Bianca übertragen? Warum? Nur weil du möchtest, dass sie Bescheid weiß?«
Ich ließ ihn los, sodass er neben dem Bett auf die Knie sank, wo er schluchzend Tränen vergoss, und setzte mich an den Schreibtisch.
»Was glaubst du, wie lange ich schon durch die Welt wandere?«, fragte ich ihn. »Hast du eine Ahnung, wie oft ich schon, unüberlegt und aus einer Laune heraus, daran dachte, einen Bluttrinker zu machen? Aber ich tat es nie, Amadeo! Nicht eher, bis mein Blick auf dich fiel! Ich sage dir, Bianca darf nicht werden, was wir sind.«
»Sie wird alt werden, sie wird sterben!«, flüsterte er. Das Schluchzen ließ seinen ganzen Körper erbeben. »Müssen wir das erleben? Müssen wir dabei zusehen? Und was wird sie im Verlauf der Jahre über uns denken?«
»Amadeo, hör auf damit. Du kannst nicht alle Menschen zu dem machen, was wir sind. Du kannst nicht, gewissenlos und ohne deine Vorstellungskraft zu gebrauchen, einen Bluttrinker nach dem anderen schaffen. Das geht nicht! Jeder Einzelne muss in einem strengen Lernprozess darauf vorbereitet werden. Es bedarf großer Sorgfalt.«
Endlich versiegte sein Tränenstrom. Er stand auf und wandte mir das Gesicht zu. Ihn schien eine schreckliche Ruhe überkommen zu haben, eine unglückliche, bittere Ruhe. Und dann kam die feierliche Frage über seine Lippen: »Warum hast du mich erwählt, Meister?«
Die Frage erschreckte mich, und ich glaube, ich konnte es nicht vor ihm verbergen. Ich wunderte mich, dass ich auf diese Frage so wenig vorbereitet war. Plötzlich war jedes zärtliche Gefühl für ihn wie weggewischt, denn wie er da stand, wirkte er so stark, so ganz seiner selbst gewiss und gewiss auch der Frage, die er gerade gestellt hatte.
»Hast du mich nicht um Das Blut gebeten, Amadeo?«, gab ich mit kühler Stimme zurück. Ich zitterte. Wie sehr ich ihn liebte, und wie sehr ich es vor ihm verbergen wollte!
»O ja, Herr«, sagte er knapp, »ich bat dich in der Tat darum, aber das war,
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