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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ihm, dass er die Bücher vorbeibringen und für Euch zur Ansicht hier lassen müsste.«
    »Erinnere dich, was habt ihr noch gesprochen?«
    »Ich sagte ihm, dass Ihr schon schrecklich viele Bücher besäßet, dass Ihr regelmäßig die Buchhändler aufsuchtet. Er… er sah die Gemälde im Vorraum. Er fragte, ob Ihr sie gemalt habt.«
    Ich versuchte, beruhigend zu klingen: »Und du hast Ja gesagt, oder?«
    »Ja, Herr, es tut mir Leid. Es tut mir Leid, wenn das schon zu viel war. Er wollte ein Bild kaufen. Ich sagte ihm, dass sie nicht zum Verkauf stünden.«
    »Es macht nichts. Nur lass bei diesem Mann Vorsicht walten. Sprich nicht wieder mit ihm. Und wenn du ihn siehst, berichte es mir sofort.«
    Ich hatte mich schon zum Gehen gewandt, als mir noch eine Frage einfiel, und als ich mich zu meinem guten Vincenzo umdrehte, fand ich ihn in Tränen aufgelöst. Natürlich versicherte ich ihm auf der Stelle, dass er sich ganz richtig verhalten hatte und sich keine Sorgen zu machen brauchte. Aber dann fragte ich: »Welchen Eindruck hat der Mann auf dich gemacht? War er gut oder böse?«
    »Gut, meine ich«, antwortete er, »dabei kann ich mir nicht vorstellen, was er da an Zauberei verkaufen wollte. – Ja, doch, ich kann zwar nicht erklären, warum, aber er ist ein guter Mensch, würde ich sagen. Er wirkte irgendwie gütig, freundlich. Und ihm gefielen die Gemälde. Er lobte sie sehr. Er war sehr höflich und für einen so jungen Mann ausgesprochen ernsthaft und recht gelehrt.«
    »Das reicht mir«, sagte ich. Und es reichte wirklich. Ich fand den Mann nicht, obwohl ich die ganze Stadt nach ihm absuchte. Aber ich hatte keine Angst.
    Dann, zwei Monate später, traf ich ihn endlich, unter höchst glücklichen Umständen.
    Das war bei einem luxuriösen Bankett, ich saß am Tisch zwischen einer Menge betrunkener Venezianer und sah zu, wie die jungen Leute zu den eingängigen Klängen der Musik ihre Schreittänze vollführten. Die Lampen waren gerade hell genug, um den Saal in einen zauberhaften Schimmer zu tauchen.
    Zuvor hatten schon einige Akrobaten und Sänger ihre Künste gezeigt, und ich glaube, ich war ein wenig benommen. Ich weiß, dass ich gerade wieder dachte, dass ich die beste Zeit meines Lebens, die Zeit vollkommener Glückseligkeit erlebte; wenn ich heimkam, wollte ich das meinem Tagebuch anvertrauen.
    Ich saß am Tisch, auf den rechten Ellenbogen gestützt, die linke Hand spielte müßig am Rand des Bechers, aus dem ich dann und wann zu trinken vorgab. Da tauchte links neben mir der Engländer auf.
    »Marius, ich bitte dich«, sagte er leise – er beherrschte das klassische Latein perfekt –, »betrachte mich als Freund und nicht als jemanden, der seine Nase in deine Angelegenheiten steckt. Ich beobachte euch schon seit langem von ferne.« Mich durchlief ein heftiger Schauer. Ich schreckte im wahrsten Sinne des Wortes auf. Ich drehte mich zu ihm um und sah seine scharfen, klaren Augen furchtlos auf mir haften. Auch jetzt schickte er mir wieder seine vertrauliche Botschaft, wortlos, ganz selbstbewusst, von Geist zu Geist; Wir bieten Schutz. Wir bieten Verständnis. Wir sind Gelehrte. Wir wachen, und wir sind immer da.
    Wieder überkam mich dieses Schaudern. Die ganze Gesellschaft ringsum war mir gegenüber blind, nur er sah es. Er wusste Bescheid. Er schob mir eine goldene Münze zu. Ein Wort war darauf geprägt: Talamasca.
    Ich ließ meinen Blick darüber gleiten, verbarg mein Erschrecken und fragte schließlich höflich in demselben klassischen Latein: »Was heißt das?«
    »Wir sind ein Orden«, sagte er; sein fließendes Latein bezauberte mich. »Es ist der Name des Ordens. Wir sind die Talamasca. Wir sind alt, keiner weiß mehr, wann sie gegründet wurde und warum sie so heißt.« Er sprach ganz ruhig. »Aber wir – jede Mitgliedergeneration – haben immer einen ganz klaren Zweck verfolgt. Wir haben unsere Regeln und unsere Traditionen. Wir wachen – über die, die sonst verachtet und verfolgt werden. Wir kennen Geheimnisse, die selbst noch so abergläubische Menschen sich zu glauben weigern.«
    Seine Stimme und seine Manieren waren sehr gewählt, aber hinter seinen Worten stand eine enorme geistige Kraft, und seine Selbstbeherrschung verblüffte; denn er konnte kaum älter als zwanzig sein.
    »Wie habt ihr mich gefunden?«, fragte ich.
    »Wir wachen zu allen Zeiten«, sagte er sanft, »und wir sahen dich, als du gleichsam deinen roten Umhang lüftetest und dich ins Licht der Fackeln und Salons

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