Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Pandora, wie ich Botticelli geliebt hatte. Sie waren die großen Lieben meines Lebens. Ich versuchte, meine Eifersucht zu vergessen oder zu ignorieren. Was konnte man sonst dagegen tun? Sollte ich ihn an die Reise erinnern und mit Fragen quälen? Das brachte ich nicht über mich.
Aber ich spürte, dass für mich als Unsterblichem eine Gefahr darin lag, und nie zuvor hatte mich etwas so gequält oder mir meine Kraft geraubt. Ich hatte erwartet, dass Amadeo, der Bluttrinker, seiner Familie distanziert gegenübergestanden hätte – aber es war ganz anders gekommen!
Ich musste zugeben, dass meine Liebe zu Amadeo in unmittelbarem Zusammenhang damit stand, dass ich mich so intensiv mit Sterblichen einließ, mich förmlich in ihre Mitte gestürzt hatte; und er selbst war ihnen noch so hoffnungslos nah, dass er erst in einigen Jahrhunderten die nötige Distanz ihnen gegenüber entwickeln würde, die ich schon in der ersten Nacht als Bluttrinker erlangt hatte. Für Amadeo hatte es keinen Druidenhain gegeben, keine ungewisse Reise nach Ägypten, keine heroische Rettung unseres Königspaars.
Als ich mir das alles durch den Kopf gehen ließ, kam ich schnell zu dem Entschluss, dass ich ihm das Geheimnis Jener, die bewahrt werden müssen besser nicht anvertraute, obwohl ich die Bezeichnung ihm gegenüber ein- oder zweimal benutzt hatte. Bevor ich ihm Das Blut gab, hatte ich beiläufig überlegt, ob ich ihn anschließend zum Schrein mitnehmen könnte. Dass ich Akasha bitten könnte, ihn zu empfangen, wie sie einst Pandora empfangen hatte. Aber nun dachte ich anders darüber. Er sollte sich erst einmal weiterentwickeln, reifer werden, seine Ausbildung vervollkommnen, weiser werden. Und war er mir nicht schon jetzt ein besserer Gesellschafter und ein tröstlicherer Gefährte, als ich mir je erträumt hatte? Selbst wenn er schlecht gelaunt war, blieb er bei mir. Selbst wenn seine Augen stumpf blickten, als interessierten ihn die leuchtenden Farben meiner Gemälde nicht, war er nicht wenigstens in meiner Nähe?
Ja, nach unserer Reise war er eine Zeit lang sehr still. Aber ich wusste, dieser Zustand würde vergehen. Und so war es auch. Innerhalb weniger Monate verlor sich seine distanzierte Haltung und seine Launenhaftigkeit; er war wieder mein Gefährte und Begleiter auf den vielen Festen und Bällen der hoch gestellten Bürger, an denen ich regelmäßig teilnahm, und er schrieb kleine Gedichte für Bianca und diskutierte mit ihr über meine letzten Gemälde.
Ah, Bianca, wie sehr wir sie liebten! Wie oft forschte ich in ihrem Geist, um mich zu vergewissern, dass sie auch jetzt immer noch nicht die geringste Ahnung hatte, dass wir keine menschlichen Wesen waren.
Bianca war die einzige Sterbliche, die ich in mein Studio ließ, aber natürlich konnte ich nicht mit meiner üblichen Schnelligkeit arbeiten, wenn sie da war. Ich musste den Arm mit dem Pinsel langsam wie ein Sterblicher heben, aber das war es wert, wenn ich dann hörte, wie sie mit Amadeo freundliche Kommentare darüber austauschte, der ebenso wie sie meinem Werk irgendeine höhere Absicht unterstellte, die gar nicht vorhanden war. Alles lief also gut, bis ich eines Abend ohne Amadeo, den ich in Biancas Gesellschaft zurückgelassen hatte, auf dem Dach des Palazzo eintraf und spürte, dass ich beobachtet wurde. Ein junger Sterblicher stand auf dem Dach des gegenüberliegenden Palazzo. Nun war ich so blitzartig hier oben erschienen, dass nicht einmal Amadeo es hätte sehen können, und doch bemerkte jener Sterbliche meine Gegenwart, und als ich dies gewärtigte, wurde mir noch einiges mehr klar.
Hier war ein Sterblicher, der mich verdächtigte, etwas anderes als ein Mensch zu sein. Hier war ein Spion, der mich seit längerem schon beobachtete.
Während meiner ganzen Existenz hatte ich meine Geheimnisse nicht so bedroht gesehen. Und natürlich war ich zuerst versucht, daraus zu schließen, dass meine Existenz in Venedig zum Scheitern verurteilt war. Gerade als ich dachte, ich hätte eine ganze Stadt zum Narren gehalten, hatte man mich ertappt und durchschaut.
Aber dieser junge Sterbliche gehörte nicht zu den höheren Kreisen, in denen ich verkehrte. Das wusste ich, kaum dass ich seine Gedanken durchforscht hatte. Er war kein vornehmer Venezianer, kein Maler, kein Geistlicher, kein Dichter oder Alchimist und ganz bestimmt kein Mitglied des Hohen Rates von Venedig. Im Gegenteil, er war ein ganz seltsamer Zeitgenosse, ein Erforscher des Übersinnlichen, ein Spion, der
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