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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Wesen wie mir nachspürte. Was konnte das bedeuten?
    An diesem Punkt meiner Überlegungen entschloss ich mich zu einer Konfrontation. Ich stellte mich an den äußersten Rand des Dachgartens und spähte über den Kanal, wo ich den verstohlenen Umriss des Mannes ausmachen konnte. Er versuchte sich zu verbergen, und ich spürte, wie ängstlich und gleichzeitig fasziniert er war.
    Ja, er wusste, dass ich ein Bluttrinker war, er hatte sogar eine spezielle Bezeichnung für mich: Vampir. Und er beobachtete mich schon seit mehreren Jahren! Er hatte mich tatsächlich schon in den Salons und Ballsälen der großen Welt gesehen – das konnte ich wohl auf meinem Konto »Sorglosigkeit« verbuchen. Und er war hier in Venedig unter den Gästen gewesen, als mein Haus zum ersten Mal Besuchern offen stand.
    Das alles las ich mit Leichtigkeit im Geist des jungen Mannes, ohne dass er es überhaupt merkte, und dann nutzte ich meine übersinnlichen Kräfte, um ihm etwas mitzuteilen: Das ist töricht. Komm mir in die Quere, und du wirst sterben. Ich warne dich nur einmal. Halt dich von meinem Haus fern. Verlass Venedig. Ist das, was du über mich erfahren willst, wirklich den Einsatz deines Lebens wert? Ich sah ihn deutlich zusammenzucken. Und zu meinem heftigen Schrecken empfing ich umgehend eine deutliche Botschaft von ihm: Wir wollen dir nichts antun. Wir sind Gelehrte. Wir bieten Verständnis an. Wir bieten Schutz. Wir wachen, und wir sind immer da. Dann gab er seiner Furcht nach und floh von dem Dach. Ich konnte problemlos hören, wie er durch den Palazzo die Treppen hinab und hinaus zum Kanal eilte, wo er eine Gondel mietete, mit der er davonfuhr. Ich hatte ihn sehr gut gesehen, als er in das Boot stieg. Ein Engländer, groß, hager, mit heller Haut, und er trug strenges Schwarz. Er hatte große Angst. Er schaute nicht einmal auf, als die Gondel ihn davontrug.
    Ich blieb noch eine ganze Zeit auf dem Dach, genoss den frischen Wind und fragte mich im Stillen, was ich aus dieser seltsamen Entdeckung machen sollte. Ich dachte über seine Botschaft nach, die ich so klar empfangen konnte, und überlegte, dass er über enorme geistige Kräfte verfügen musste, wenn er das zustande brachte. Gelehrte? Was für Gelehrte? Und diese anderen Worte. Wirklich sehr bemerkenswert.
    Mir kam die blitzartige Erkenntnis, dass es in meinem langen Leben Zeiten gegeben hatte, wo ich dieser Botschaft kaum hätte widerstehen können, so einsam war ich gewesen, so sehr hatte ich mich nach Verständnis gesehnt.
    Aber jetzt, da ich in Venedig in den feinsten Kreisen empfangen wurde, spürte ich dieses Bedürfnis nicht mehr. Wenn ich mich über Bellinis oder Botticellis Werke auslassen wollte, hatte ich Bianca. Und mit Amadeo teilte ich mein goldenes Grab.
    Genau genommen erlebte ich gerade die beste Zeit meines Lebens. Ich fragte mich, ob jeder Unsterbliche einmal eine solche Zeit erlebt. Und ich fragte mich, ob es vergleichbar war mit den besten Jahren im Leben eines Sterblichen – mit jenen Jahren, wenn der Mensch in seiner höchsten geistigen und körperlichen Blüte steht, wenn er vertrauensvoll sein Herz hingibt und nach der vollkommenen Glückseligkeit strebt.
    Botticelli, Bianca, Amadeo – die drei waren meine großen Lieben während dieser Zeit vollkommener Glückseligkeit. Trotzdem war dieses Versprechen des jungen Engländers verblüffend: »Wir bieten Verständnis. Wir bieten Schutz. Wir wachen, und wir sind immer da.«
    Ich entschloss mich, das zu ignorieren, erst einmal zu sehen, was daraus entstehen würde, und mich nicht im Mindesten davon einschränken zu lassen, da ich mein Leben gerade so sehr genoss. Und doch lauschte ich in den folgenden Wochen, ob ich etwas von diesem merkwürdigen Mann, diesem englischen Gelehrten, hörte, hielt sogar Ausschau nach ihm, während wir uns bei den gewohnten prächtigen Empfängen amüsierten. Ich ging sogar so weit, Bianca zu fragen, ob sie eine solche Person getroffen hätte, und ich warnte Vincenzo, dass der so beschriebene Mann ihn in eine Unterhaltung ziehen könnte und dass er dann sehr klug vorgehen müsste.
    Vincenzo versetzte mir einen Schock! Ebendieser Bursche – ein großer, hagerer Engländer, jung, aber mit farblos grauem Haar – hätte schon einmal vorgesprochen. Er hatte Vincenzo gefragt, ob sein Herr eventuell eine bestimmte Sorte außergewöhnlicher Bücher erwerben wolle.
    »Es waren Bücher über Zauberei«, sagte Vincenzo, der fürchtete, dass mich das verärgern könnte. »Ich sagte

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