Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
anzuheuern kam mir schlicht idiotisch vor.
Der Mann wäre Zeuge meiner Taten, außerdem wusste er, dass ich hier wohnte.
Ach, das war alles ziemlich verzwickt! Ich fühlte mich so schwach, und es war gut möglich, dass Santinos Monster noch einmal kamen. Ich musste Venedig verlassen und den Schrein aufsuchen! Aber wie konnte ich das bewerkstelligen?
»Marius, bitte, lass mich ein«, sagte Bianca leise. »Ich fürchte mich nicht vor deinem Anblick. Bitte, lass mich doch rein.«
»Gut denn«, antwortete ich, »vertrau mir, ich werde dir nichts tun. Steig die Treppe hinab. Sei vorsichtig mit den Stufen. Vertrau darauf, dass ich dir die ganze Wahrheit sagte.« Mit größter Anstrengung schob ich die Tür weit genug auf, um Bianca einzulassen. Schwaches Licht schimmerte im Treppenschacht und in der Kammer darunter. Für meine Augen war es ausreichend, nicht aber für ihre. Mit ihrer zarten, bleichen Hand tastete sie sich hinter mir den Gang entlang, ohne zu sehen, wie mühevoll ich mich mit den Händen an den Wänden entlangschleppte und mich immer und immer wieder abstützte.
Schließlich hatten wir den Fuß der Treppe erreicht, doch auch hier strengte sie ihre Augen vergeblich an.
»Marius, sag etwas«, verlangte sie. »Ich bin hier, Bianca«, beruhigte ich sie.
Ich kniete nieder, hockte mich auf die Fersen und versuchte, mit der Gabe des Feuers die Fackeln an den Wänden zu entzünden. Ich richtete meine ganze Kraft darauf, bis ich ein leises Knistern hörte, dann fing die Fackel Feuer, und das Licht strahlte auf. Es schmerzte in meinen Augen, und das Feuer ließ mich erschaudern, aber ohne kamen wir nicht aus. Die Dunkelheit war noch schlimmer gewesen. Bianca hob ihre schlanken Hände, um ihre Augen vor der Helligkeit zu schützen. Dann sah sie mich an.
Was sah sie? Sie presste die Hand auf den Mund und unterdrückte einen Schrei.
»Was haben sie dir angetan?«, fragte sie entsetzt. »Ach, mein schöner Marius! Sag mir, wie ich das behandeln kann, und ich mache mich sofort an die Arbeit.« Ich sah mich in ihren Augen, eine vermummte Gestalt, deren Hals und Gelenke schwarzen Stöcken glichen; Handschuhe spielten sich als Hände auf, und eine flatternde schwarze Ledermaske wollte das Gesicht sein.
»Wie soll das gehen, meine schöne Bianca?«, fragte ich. »Welcher Zaubertrank kann mich in das zurückverwandeln, was ich einmal war?«
Sie war ganz durcheinander. Ich fing ein Wirrwarr von Bildern und Erinnerungen auf, in das sich Trauer und Hoffnung mischten. Sie schaute in dem goldenen Schimmer der Wände um sich. Sie starrte die glänzenden Marmorsarkophage an. Dann kehrte ihr Blick zu mir zurück. Sie war entsetzt, fürchtete sich jedoch nicht.
»Marius«, sagte sie, »ich kann ebenso gut dein Lehrling sein, wie Amadeo es war. Sag mir nur, was zu tun ist.« Als sie Amadeo erwähnte, stiegen mir Tränen in die Augen. O ja, dieser verbrannte Körper weinte noch blutige Tränen! Sie ließ sich auf die Knie sinken, damit sie mir in die Augen sehen konnte. Dabei öffnete sich ihr Umhang, sodass ich die kostbaren Perlenschnüre um ihren Hals und auf ihren blassen Brüsten liegen sah. Sie hatte für ihr Unterfangen ein sehr kostbares Gewand angelegt, ohne sich darum zu scheren, ob der Saum schmutzig oder nass würde.
»Ach, mein liebliches Juwel«, antwortete ich, »wie ich euch beide geliebt habe, in Schuld und Unschuld! Du weiß nicht, wie sehr es mich, ob als Ungeheuer oder als Mann, nach euch beiden gelüstet hat. Du weißt ja nicht, welcher Beherrschung es bedurfte, mein Verlangen nach euch zu bekämpfen.«
»Doch, ich weiß es«, sagte sie. »Erinnerst du dich an die Nacht, als du kamst und mich der Mordtaten beschuldigtest? Kannst du dich nicht daran erinnern, wie du zugabst, nach meinem Blut zu dürsten? Seitdem habe ich mich bestimmt nicht in die reine, unbedarfte Maid aus dem Märchen verwandelt.«
»Vielleicht ja doch, meine Hübsche«, entgegnete ich. »Oh, sie ist dahin, nicht wahr? Meine Welt, sie ist dahin. All die Bankette und Maskenbälle, die Tanzfeste, sie sind dahin, all meine Bilder sind verbrannt!« Sie begann zu weinen.
»Nein, nicht weinen! Das besorge ich schon selbst. Es war alles meine Schuld. Nur weil ich jemanden, der mich verachtete, nicht umgebracht habe! Und jetzt ist Amadeo ihr Gefangener… Mich haben sie verbrannt, weil ich zu stark für sie war und ihre Pläne gestört hätte. Aber Amadeo haben sie entführt!«
»Hör auf, Marius, du wirst ja ganz rasend!«, flehte sie
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