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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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es, mein Herr.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich sanft. »Das träumst du nur.«
    »Oh, aber ich weiß es, Marius. Ich sagte dir doch vorhin schon, dass ich mich nur zu gut daran erinnere, wie du in mein Schlafgemach einbrachst, gierig nach meinem Blut!« Sie streckte die Hand aus, um tröstend meine Wange zu streicheln. Ich wehrte sie mit meiner behandschuhten Hand ab. »Damals erkannte ich, dass du dich irgendwie von den Toten nährst. Dass du ihre Seele brauchst, oder vielleicht nur ihr Blut. Es musste das eine oder andere sein. Und die Musikanten, die aus dem Bankettsaal flohen, als du meine Verwandten tötetest – sie redeten davon, dass du meinen unglückseligen Vettern den Todeskuss gabst.«
    Ich stieß ein leises Lachen aus.
    »Wie unvorsichtig ich doch war! Und ich hielt mich immer für einen Meister! Kein Wunder, dass ich so tief gefallen bin.« Aber Bianca fixierte mich mit glänzenden, neugierigen Augen. Und nun endlich kam über meine Lippen die Wahrheit.
    »Das Blut der Lebenden ist es, meine Schöne«, erklärte ich verzweifelt, »immer das Blut der Lebenden, nur das Blut der Lebenden. Es darf nichts anderes sein, verstehst du? Dadurch existiere ich, seit ich von böswilligen, strafenden Händen dem sterblichen Leben entrissen wurde.«
    Sie runzelte fragend die Stirn, während sie mich betrachtete, aber sie wandte den Blick nicht ab. Dann nickte sie, als wolle sie sagen: Fahr fort.
    »Komm ganz nah zu mir, Bianca«, flüsterte ich. »Glaub mir, wenn ich dir erzähle, dass ich schon existierte, als Venedig noch ein kleiner Ort war. Florenz gab es noch nicht, da lebte ich schon. Und ich kann hier nicht lange in Leiden verharren. Ich brauche Blut, damit ich wiederhergestellt werde. Es ist unerlässlich. Ich brauche es, so bald wie möglich.«
    Wieder nickte sie. Sie hatte die Augen immer noch fest auf mich geheftet. Sie zitterte, dann zog sie aus ihrem Gewand ein Leinentüchlein und tupfte sich damit die Tränen ab. Wie nahm sie meine Worte auf? Sie mussten ihr wie uralte Mythen geklungen haben. Wie konnte ich erwarten, dass ihr der Sinn aufging?
    Ihre Augen hielten mir stand.
    »Die Übeltäter«, sagte sie plötzlich. »Mein Herr, Amadeo erzählte es mir«, flüsterte sie. »Ich kann nicht länger so tun, als wüsste ich es nicht. Du nährst dich von den Übeltätern. Sei nicht zornig! Amadeo hat mir das Geheimnis schon vor langem anvertraut.« Ein unglaublicher Zorn stieg in mir auf, aber was machte es jetzt noch aus? Hatte diese grässliche Katastrophe nicht alles wie eine Lawine mitgerissen? Also hatte Amadeo der schönen Bianca das Geheimnis anvertraut! Nach all seinen tränenreichen Beteuerungen und Versprechen! Ich war ein Narr gewesen, einem Kind zu vertrauen. Ich war ein Narr gewesen, Santino leben zu lassen! Aber was machte das jetzt noch?
    Sie war in Schweigen versunken und starrte mich immer noch an; das Licht der Fackel spiegelte sich in ihren Augen, ihre Unterlippe bebte, und sie seufzte leise, als ob sie gleich wieder weinen müsste.
    »Ich kann dir einen Übeltäter hierher, in dieses Gelass bringen«, sagte sie, während ihre Miene sich aufhellte, »hierher, diese Stufen hinunter.«
    »Und wenn dich so einer überwältigt, ehe du hier angekommen bist«, gab ich leise zu bedenken, »ich könnte dich noch nicht einmal rächen. Nein, das Risiko darfst du nicht eingehen.«
    »Aber ich will es. Verlass dich auf mich.« Ihre Augen begannen zu leuchten, und sie schien sich umzusehen, als ob sie die Schönheit der goldenen Wände in sich aufnehmen wollte.
    »Wie lange habe ich dein Geheimnis schon bewahrt? Ich weiß es nicht, aber nichts könnte es mir entreißen. Und welche Vermutung andere Leute auch hegten, nie habe ich ein Wort verlauten lassen.«
    »Mein teurer Schatz«, flüsterte ich. »Du wirst für mich keine solche Gefahr auf dich nehmen. Lass mich überlegen. Ich sollte besser einsetzen, was mir im Moment an geistigen Fähigkeiten geblieben ist. Lass uns einen Augenblick still hier sitzen.« Sie wirkte ein wenig verstört. Dann verhärtete sich ihr Gesicht.
    »Gib mir Das Blut, mein Herr«, sagte sie plötzlich atemlos, mit verhaltener Stimme. »Gib es mir. Mach aus mir, was du aus Amadeo gemacht hast. Mach einen Bluttrinker aus mir, und dann habe ich Kraft genug, dir Übeltäter zu bringen. Das ist die Lösung.« Ich war überrumpelt. Ich kann nicht behaupten, dass ich in meiner verletzten Seele nicht an ebendiese Möglichkeit gedacht hatte – es war mein erster Gedanke

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