Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
gleichmäßig zu atmen.
Bianca fischte aus einem ihrer Bündel einen glänzenden Spiegel mit elfenbeinernem Griff.
»Hier; wenn du magst, kannst du die Maske abnehmen«, sagte sie mit einem harten, tapferen Ausdruck in ihren Mandelaugen. »Es wird mich nicht erschrecken!«
Ich sah sie lange an, genoss ihre Schönheit und betrachtete eindringlich all die feinen Veränderungen, die Das Blut bei ihr bewirkt hatte – wie es sie zu einem überhöhten, kostbaren Ebenbild ihres früheren Selbst gemacht hatte.
»Ich gefalle dir, nicht wahr?«, fragte sie.
»Immer«, erklärte ich. »Eine Zeit lang sehnte ich mich so sehr danach, dir Das Blut zu geben, dass ich dich nicht ansehen durfte. Damals habe ich dich nicht einmal besucht, aus Furcht, dass ich dich mit all meinem Charme bezirzen würde, um dir Das Blut aufzudrängen.« Sie war erstaunt: »Daran hätte ich im Traum nicht gedacht.«
Ich blickte in den Spiegel. Ich sah die Maske. Ich dachte daran, wie dieser Orden hieß: Talamasca. Ich dachte an Raymond Gallant.
»Du kannst meine Gedanken jetzt nicht lesen, oder?«, fragte ich.
»Nein«, sagte sie verblüfft, »überhaupt nicht.«
»Das ist normal«, sagte ich, »weil ich dir Das Blut gab. Du kannst die Gedanken anderer lesen, ja…«
»… ja«, bestätigte sie. »Die Gedanken unserer Opfer, ja, und wenn das Blut fließt, sehe ich Bilder…«
»…ja. Das wird so bleiben, aber lass dich dadurch nicht verleiten, dem Reiz der Unschuldigen zu verfallen, oder das Blut, das du trinkst, wird deine Hände beflecken.«
»Amadeo sagte es mir schon, er erzählte mir alles, was du ihn gelehrt hast. Nur die Übeltäter, nie die Unschuldigen, ich weiß.« Wieder erfasste mich ein schlimmer Zorn, weil die beiden, diese lieben Kinder, mich ausgeschlossen hatten. Ich fragte mich, wann und wie Amadeo ihr diese Geheimnisse anvertraut hatte. Aber ich wusste, ich sollte die Eifersucht beiseite schieben. Amadeo war nicht mehr bei mir, er war mir genommen worden. Und ich hatte keine Möglichkeit, ihn wieder zurückzuholen. Amadeo war in den Händen derer, die unsägliche Dinge vorhatten. Aber ich durfte jetzt nicht daran denken! Der Wahnsinn würde über mich kommen! »Schau in den Spiegel«, sagte Bianca. Ich schüttelte den Kopf.
Ich zog den linken Handschuh ab und starrte meine knochigen Finger an. Bianca schrie entsetzt auf und schämte sich sofort deswegen.
»Willst du immer noch mein Gesicht sehen?«, fragte ich.
»Nein, lieber nicht – um unser beider willen«, sagte sie. »Erst wenn du mehr gejagt hast und ich eine Zeit lang mit dir unterwegs gewesen und stärker geworden bin, damit ich ein besserer Schüler sein kann, wie ich es dir versprach.« Dabei nickte sie und klang sehr entschlossen.
»Meine reizende Bianca«, sagte ich zärtlich, »für so harsche und starke Dinge ausersehen.«
»Ja, und ich werde sie tun. Ich werde immer mit dir zusammen sein. Eines Tages wirst du mich so lieben, wie du Amadeo liebst.«
Ich antwortete nicht. Es schmerzte so ungeheuerlich, ihn verloren zu haben. Wie könnte ich das auch nur mit einer Silbe verleugnen? »Was werden sie ihm wohl antun?«, fragte ich. »Oder haben sie ihn bereits auf abscheuliche Weise getötet? Denn du weißt natürlich, dass wir sterben können? Durch Sonnenlicht oder die Hitze eines großen Feuers.«
»Nein, nicht sterben, nur schrecklich leiden«, sagte sie. »Bist du nicht der lebende Beweis?«
»Nein, sterben«, betonte ich. »Bei mir ist es, wie ich dir gesagt habe: Ich lebe seit mehr als tausend Jahren. Aber Amadeo? Es könnte für ihn gut der Tod sein. Bete, dass sie nicht auf Grausamkeit aus sind, sondern nur darauf, Schrecken zu verbreiten; bete, dass sie, was sie auch vorhaben, wenigstens schnell zu Werke gehen oder gar nicht.«
Sie fürchtete sich; und sie beobachtete mich, als zeigte sich auf der Ledermaske tatsächlich eine Gefühlsregung.
»Nun komm, du musst lernen, wie man den Sarg öffnet«, sagte ich zu ihr. »Und ich muss dir noch mehr von meinem Blut geben. Ich habe so viel von meinen Opfern getrunken, dass ich dir noch einmal etwas geben kann, und du brauchst es, sonst wirst du nicht so stark wie Amadeo.«
»Aber… ich habe frische Kleider an«, wandte sie ein, »ich will nicht, dass sie mit Blut befleckt werden.«
Ich lachte. Ich konnte gar nicht mehr aufhören. Die ganze goldene Kammer hallte von meinem Gelächter wider. Sie sah mich verständnislos an.
»Bianca«, sagte ich sanft, »ich verspreche dir, es wird kein Tropfen
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