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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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werden? Wie lange wird das dauern?« Ihre Glücksgefühle der letzten Nacht schienen wie weggeblasen.
    »Komm«, forderte ich sie auf. »Wir wollen jagen. Komm, nimm deinen Umhang, folge mir die Stufen hinauf. Wir machen es wie letzte Nacht, und du darfst nicht eine Sekunde lang an deiner Kraft zweifeln. Und tu immer, was ich dir sage.« Sie wollte nicht auf meine Worte hören, sondern blieb zögernd bei ihrem Sarg stehen, einen Ellenbogen auf den Deckel gestützt; ihr Gesicht spiegelte Erschütterung.
    Ich stellte mich neben sie. Nie hätte ich gedacht, dass ich je solche Worte äußern würde:
    »Bianca, du musst nun diejenige sein, die stark ist. Du musst uns führen. Ich habe im Moment nicht die Kraft für zwei, wenn du das auch von mir erwartest. Mein Innerstes ist zerstört. Ich bin zerstört! Nein, warte, unterbrich mich nicht. Und lass die Tränen. Hör mir zu. Du musst mir deine Kraftreserven geben, ich brauche sie! Mir stehen Kräfte zur Verfügung, wie du sie dir nicht vorstellen kannst. Aber ich bin jetzt nicht in der Lage, sie zu nutzen. Und bis es so weit ist, musst du uns vorwärts bringen. Führe uns mit deinem Durst und mit deinen staunenden Augen, denn bestimmt siehst du in deinem neuen Zustand alle Dinge so, wie du sie nie zuvor wahrgenommen hast, und bist von Staunen ganz erfüllt.« Sie nickte heftig. Ihre Augen nahmen einen kälteren Ausdruck an, und eine wunderbare Ruhe zeigte sich darin.
    »Verstehst du nicht?«, fragte ich. »Wenn du es schaffst, mit mir diese Nächte durchzustehen, hast du tatsächlich Unsterblichkeit erlangt.«
    Sie schloss die Lider und stöhnte leise.
    »Ach, wie gern ich den Klang deiner Stimme höre«, sagte sie, »aber ich fürchte mich. Als ich im Dunkel des Sarges erwachte, schien mir das alles wie ein von Gift verseuchter Traum. Und ich habe Angst, was man uns antut, wenn man entdeckt, was wir sind, wenn wir in ihre Hände fallen, und wenn… wenn…«
    »Ja, wenn…?«
    »Wenn du mich nicht beschützen kannst.« Ich saß da, in Schweigen versunken.
    Ich erinnerte mich an den ersten Ball, den Bianca in unserem Haus gegeben hatte, ich erinnerte mich an die Tänze, an die Tische mit den goldenen Platten, überhäuft mit Früchten und gewürztem Fleisch, an den Duft des Weines und den Klang der Musik, und alle Räume quollen über von zufriedenen Gästen, ringsum schauten die Bilder von den Wänden, und es schien unmöglich, dass mich jemand von diesem Podest stoßen könnte, da ich doch so fest im Reich der ahnungslosen Sterblichen verankert war.
    Ach, Santino, dachte ich, wie sehr ich dich hasse! Wie sehr ich dich verachte! Ich erinnerte mich, wie er damals in Rom auf mich zugekommen war. Seine schwarze Kutte, die nach Erde stank, das lange schwarze Haar so sauber, ein Spiegel seiner Eitelkeit, und dann das ausdrucksvolle Gesicht mit den großen dunklen Augen – ich hasste ihn!
    Bekäme ich je die Gelegenheit, ihn umzubringen? Oh, sicher würde er irgendwann einmal allein, ohne seine vielen Anhänger sein, und dann wäre er fest in meiner Hand, und ich würde ihm mit der Gabe des Feuers heimzahlen, was er mir angetan hatte.
    Und Amadeo, wo war mein Amadeo? Wo waren meine Knaben, die so grausam und doch mit solcher Umsicht entführt worden waren? Wieder sah ich meinen armen Vincenzo ermordet am Boden liegen.
    »Marius, mein Marius«, sagte Bianca unvermittelt, »bitte, sitz doch nicht so stumm neben mir.« Sie streckte eine bleiche, bebende Hand aus, wagte aber nicht, mich zu berühren. »Es tut mir Leid, dass ich so schwach bin. Glaub mir, es tut mir Leid. Was macht dich so schweigsam?«
    »Nichts, mein Liebling, ich denke nur an meinen Feind, an den, der die Brandstifter herschickte, die mich vernichteten.«
    »Aber du bist nicht vernichtet!«, wandte sie ein. »Und ich, ich werde schon irgendwie an Kraft gewinnen.«
    »Nein, bleib erst einmal hier, du hast schon genug getan. Und dein armer Gondelführer, er schenkte mir gestern Nacht sein Leben. Ich gehe jetzt jagen, bis ich stark genug bin, dich hier fortzubringen, an einen Ort, an dem du sicher bist und wo ich wieder völlig hergestellt werden kann.«
    Ich schloss die Augen, obwohl sie das natürlich wegen der Maske nicht sehen konnte, und dachte an Jene, die bewahrt werden müssen. Meine Königin, ich bete zu dir, und ich bin auf dem Weg zu dir, und wenn ich bei dir bin, wirst du mir Das Blut geben. Aber hättest du mir nicht eine winzig kleine warnende Vision schicken können? Der Gedanke explodierte geradezu

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