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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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abermals an den Mund presste. Diesmal floss Blut, nicht eben viel, aber doch genug, und ihre Lippen schlossen sich darüber, und sie begann heftig zu saugen, sodass ich es bis ins Herz spürte.
    »Ja, trink, Bianca, meine süße Bianca«, murmelte ich, und sie antwortete mir mit einem Seufzen. Das Blut hatte ihr zartes Herz in Besitz genommen. Doch die dunkle Reise durch die Nacht hatte erst begonnen. Ich konnte sie nicht allein auf die Suche nach einem Opfer schicken! Und der Zauber war noch nicht vollendet! Vor Schwäche zusammengekrümmt wie ein Buckliger, schleppte ich sie nach draußen und in ihre Gondel. Jeder Schritt verursachte mir grässliche Pein, meine Bewegungen waren schwerfällig und unsicher. Nachdem ich Bianca in ihrem halb wachen Zustand gegen die Kissen gelehnt und ein Lebenszeichen von ihr erhalten hatte, nahm ich das Ruder auf. Ich betrachtete sie. Sie war nie schöner, nie bleicher gewesen.
    Ich stakte uns in die finsteren Ecken Venedigs, wo der Nebel dick über den Kanälen hing und ungezählte Schurken sich in düsteren Kneipen herumtrieben.
    »Wach auf, meine Prinzessin«, sprach ich sie an, »hier sind wir auf dem stummen Schlachtfeld, wo wir bald unserem Feind begegnen werden, und dann beginnt der kleine Krieg, den wir so lieben.« Ich konnte vor Schmerz kaum aufrecht stehen, aber wie stets in solcher Lage kamen die, die wir suchten, von allein, um ihrerseits uns etwas anzutun. Meine verkrümmte Haltung und Biancas Schönheit signalisierten ihnen, dass wir die Schwäche in Person waren, sodass sie glaubten, leichtes Spiel zu haben. Ich lockte ein stolzes, vor Jugend strotzendes Opfer in Biancas Arme, indem ich sagte: »Wer möchte der Dame wohl zu Gefallen sein?« Und schon sog sie ihm den verhängnisvollen Trank aus der Kehle, und sein Dolch fiel in unser Boot. Der Nächste, ein schwankender Trunkenbold, der uns mit dem Versprechen grüßte, dass in der Nähe ein Festessen stattfände, zu dem wir alle geladen wären, schritt mitten hinein in meine tödliche Umarmung. Ich war kaum stark genug, ihn zu halten, und wieder raste das Blut unkontrolliert durch meine Adern und heilte mich mit so gewalttätiger Zauberkraft, dass es den Schmerz noch verstärkte. Der Dritte, der uns in die Arme lief, war ein Streuner, den ich mit einer verheißenen, aber nicht vorhandenen Münze lockte. Bianca nahm ihn sich, mit schwerer Zunge äußerte sie ihre Enttäuschung, dass er so dünn und mickrig war. Das alles geschah unter dem Schleier der tintenschwarzen Nacht, weit weg von hell beleuchteten Häusern, wie es die unseren gewesen waren.
    Wir zogen weiter. Die Gabe des Geistes verstärkte sich mit jedem getöteten Opfer, und auch mein Fleisch heilte zusehends. Aber um ganz wieder der Alte zu werden, hätte ich einen Wald von Menschen gebraucht; eine unvorstellbare Menge, um mir die frühere Lebenskraft wieder zurückzubringen.
    Ich wusste, dass ich unter meiner Kleidung aussah, als wäre ich aus pechgetränkten Stricken zusammengesetzt, und das grauenvolle Aussehen meines Gesichtes mochte ich mir nicht einmal ausmalen. Inzwischen war Bianca aus ihrer Benommenheit erwacht und litt die heftigsten Schmerzen, denn ihr Körper starb, und nun sehnte sie sich danach, zu ihrem Heim zurückzukehren, um sich zu reinigen, damit sie dann in köstlichen Gewändern, als meine Braut, mit mir in die goldene Kammer zurückkehren konnte. Sie hatte zu viel Blut von den Opfern getrunken und brauchte mehr von meinem, aber das wusste sie nicht, und ich verschwieg es ihr. Nur zögernd gab ich ihrer Bitte nach und brachte sie zu ihrem Palazzo, wo ich unruhig in der Gondel wartete, bis sie sich, in einer umwerfenden Robe, ihre Haut weiß wie schimmernde Perlen, wieder zu mir gesellte.
    Sie wollte ihre vielen Zimmer für immer verlassen und trug deshalb diverse Bündel bei sich – alle ihre Lieblingskleider, ihren Schmuck und einen größeren Vorrat Kerzen, damit wir unser Versteck ohne das laute Zischen der Fackel genießen konnten. Dann endlich waren wir in der goldenen Kammer allein, und sie strahlte vor Glück, als sie mich ansah, ihren geheimnisvollen, schweigsamen, maskierten Bräutigam.
    Nur eine einzige schlanke Kerze verströmte ihr Licht für uns. Wir setzten uns auf einen grünen Samtumhang, den sie extra für uns am Boden ausgebreitet hatte. In mir bohrte immer noch ein starker, aber ruhiger Schmerz. Ruhig insofern, als er nicht mit jedem Atemzug aufs Neue aufloderte; er blieb konstant und erlaubte mir wenigstens,

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