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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verkohlten Glieder – die so wenig genesen waren trotz so vieler Morde –, dass ich mich dringend auf den Weg zu Den Eltern begeben musste. Es blieb mir nichts anderes übrig, als dieses Geheimnis nun mit Bianca zu teilen, so jung sie auch war.
    Es war fürchterlich, eine so schwere Last auf solch zarte Schultern legen zu müssen, aber ich war des Schmerzes und der Einsamkeit überdrüssig. Ich war besiegt worden. Und ich wollte nur eines: Mit Bianca im Arm endlich den Schrein erreichen.

 
     
     
27
     
    D ie Zeit zu reisen war gekommen. In Venedig zu bleiben war einfach zu gefährlich, und ich wusste jetzt, dass ich in der Lage war, uns beide zum Schrein zu bringen. Ich nahm ein Paket mit Kleidung für uns und so viel Gold, wie ich tragen konnte, drückte die warm eingepackte Bianca an meine Brust und hatte in nicht einmal der Hälfte der Nacht trotz Schnee und eisigem Wind die Berge durchquert.
    Mittlerweile hatte Bianca sich an gewisse Wunder gewöhnt, und so regte es sie nicht sonderlich auf, mitten auf einem verschneiten Bergpass abgesetzt zu werden.
    Aber schnell wurden wir uns der schmerzlichen Tatsache bewusst, dass ich mich überschätzt hatte. Ich war in meiner augenblicklichen Verfassung nicht stark genug, den Schrein zu öffnen. Zwar hatte ich die eisenbeschlagene Tür aus Granit, die jedem menschlichen Angriff standhalten sollte, selbst hergestellt, doch nun musste ich mir nach einigen armseligen Versuchen eingestehen, dass es nicht in meiner Macht stand, sie zu öffnen. Also hieß es, vor der Morgendämmerung einen anderen Unterschlupf zu finden. Bianca begann zu weinen, was mich erzürnte. Ich wollte es ihr zeigen und stürzte mich abermals energisch auf die Tür; dann trat ich zurück und bemühte mich mit der ganzen Kraft meines Geistes, sie zu öffnen. Aber ohne Erfolg, nur Wind und Schnee schlugen uns heftig entgegen. Biancas Weinen brachte mich so in Rage, dass ich gegen besseres Wissen behauptete: »Ich habe diese Tür gemacht, und ich werde sie öffnen! Gib mir nur Zeit zu überlegen, was zu tun ist.«
    Sie wandte sich, sichtlich verletzt von meinem Unmut, von mir ab, dann fragte sie mit kläglicher Stimme:
    »Was ist da drin? Ich höre ein schreckliches Geräusch hinter dieser Tür, es klingt fast wie ein Herzschlag. Warum sind wir hierher gekommen? Und was tun wir, wenn wir hier nicht unterschlüpfen können?«
    Ihre Fragerei verärgerte mich noch mehr, doch als ich sie ansah, wie sie da mit hängendem Kopf, rot glänzende Tränen in den Augen, auf dem Felsen hockte, auf dem ich sie abgesetzt hatte, und der Schnee auf sie niedersank, fühlte ich mich tief beschämt, weil ich sie in meiner Schwäche derart ausgenutzt hatte und nun auch noch meinte, meine Wut an ihr auslassen zu müssen.
    »Sei ruhig, dann öffne ich die Tür schon«, sagte ich. »Du weißt nicht, was dahinter ist, aber du wirst es bald erfahren.« Ich stieß einen schweren Seufzer aus, umklammerte die Eisenklinke fest mit meiner verbrannten Hand und zog nach Kräften, doch die Tür gab keinen Spaltbreit nach. Der Irrsinn dieses ganzen Unternehmens wurde mir bewusst! Ich konnte nicht in den Schrein! Ich war zu schwach und hatte keine Vorstellung, wie lange das noch so bleiben würde. Und doch versuchte ich es ein ums andere Mal, nur damit Bianca in dem Glauben blieb, ich könnte sie beschützen, könnte uns Zutritt zu diesem geheimnisvollen Ort verschaffen.
    Zuletzt kehrte ich dem Allerheiligsten den Rücken zu und ging zu ihr, zog sie in meine Arme, hüllte ihren Kopf ein und versuchte, sie, so gut es ging, zu wärmen.
    »Nicht mehr lange, dann erkläre ich dir alles«, sagte ich, »und einen Unterschlupf für heute Nacht finde ich uns auch noch. Du musst nicht zweifeln. Lass dir erst einmal gesagt sein, dass ich das hier gebaut habe, außer mir kennt es niemand, nur bin ich, wie du siehst, jetzt gerade zu schwach, um hineinzukommen.«
    »Verzeih, dass ich geweint habe«, sagte sie sanft. »Du wirst keine Tränen mehr bei mir sehen. – Was ist das für ein Geräusch? Ist es für Menschen nicht vernehmbar?«
    »Nein; aber bitte sei noch einen Augenblick still, mein tapferer Schatz«, antwortete ich.
    Doch genau in diesem Moment drang ein anderes Geräusch an mein Ohr, ein Geräusch, das jeder hätte hören können. Es war das Knirschen der sich öffnenden Granittür. Der Klang war unverkennbar, und ungläubig drehte ich mich um, ebenso von Furcht wie von Staunen erfasst.
    Schnell zog ich Bianca zu mir heran, und wir

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