Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
und ihre braunen Augen waren von langen dunklen Wimpern umrahmt. Langes, welliges braunes Haar hatte sie, das sie selbst bei ihren nächtlichen Ausflügen nicht aufsteckte. Natürlich habe ich sie in ihren weichen, gefältelten Gewändern vor Augen, wie man sie damals in den alten Zeiten trug, ich kann sie mir gar nicht in der heutigen Kleidung vorstellen. Und so ist sie für mich inzwischen fast so etwas wie eine Göttin oder eine Heilige…«
Bianca schwieg. Schließlich fragte sie: »Würdest du mich um ihretwillen verlassen, wenn es sich ergäbe?«
»Nein! Wenn ich sie fände, würden wir drei gemeinsam zusammenbleiben.«
»Ach, das wäre zu schön«, sagte sie.
»Ich weiß, es könnte so sein, wirklich! Und es wird so sein – wir drei zusammen, du und sie und ich. Sie lebt, sie zieht umher, und irgendwann werden wir sie treffen.«
»Woher weißt du, dass sie lebt? Was, wenn… aber ich möchte dir nicht wehtun.«
»Es besteht die Hoffnung, dass sie lebt«, erklärte ich. »Mael, der Blonde, er hat dir von ihr erzählt.«
»Nein, Mael nicht, er weiß nicht das Mindeste über sie. Ich glaube, ihm gegenüber habe ich nie auch nur ein Wort von ihr erwähnt. Ich bin ihm nicht sehr gewogen. Selbst in diesen fürchterlichen, von Schmerzen erfüllten Nächten habe ich ihn nicht um Hilfe gebeten. Ich will nicht, dass er mich in diesem Zustand sieht.«
»Sei nicht zornig«, sagte sie beruhigend. »Lass es dich nicht schmerzen. Ich verstehe schon. Aber du sprachst so warm von dieser Frau…«
»Ja. Vielleicht weiß ich ja, dass sie lebt, weil sie sich nie umbringen würde, ohne mich vorher gefunden, sich von mir verabschiedet zu haben. Sie kann kein Ende machen, da sie mich bisher nicht gefunden hat und sie auch keinen Beweis hat, dass ich nicht mehr bin. Verstehst du?«
»Ja«, murmelte sie und drängte sich näher an mich heran, aber als ich sie leicht mit der behandschuhten Hand fortschob, wusste sie, wie es gemeint war.
»Wie heißt die Frau?«, fragte sie. »Pandora.«
»Ich werde niemals eifersüchtig auf sie sein«, sagte sie leise. »Nein, das brauchst du auch nicht. Aber wie kannst du das so rasch sagen?«
Ihre Antwort kam ruhig und liebevoll: »Du sprichst zu respektvoll von ihr, als dass ich eifersüchtig werden könnte, und ich weiß, dass du uns beide lieben kannst, denn du liebst ja auch Amadeo und mich. Das sah ich mit meinen eigenen Augen.«
»Du hast Recht«, stimmte ich zu. Ich weinte beinahe. Ich dachte tief drinnen an Botticelli, wie er in seinem Studio stand und mich anstarrte und sich fragte, was ich für ein merkwürdiger Auftraggeber war. Er hatte sich bestimmt nicht vorstellen können, dass sich in mir gieriges Verlangen und Bewunderung mischten, und im Traum nicht daran gedacht, dass die Gefahr ihm so nahe war.
»Es ist schon fast Morgen«, sagte Bianca, »ich spüre die Kälte. Und mir ist alles gleich. Geht es dir auch so?«
»Wir werden bald von hier fortgehen. Dort gibt es goldene Lampen und hundert feine Wachskerzen. Ja, einhundert weiße Kerzen! Und wir werden mitten im Schnee im Warmen sein.«
»Mein Lieber«, sagte sie weich, »ich vertraue dir ganz fest.« In der nächsten Nacht gingen wir noch einmal auf die Jagd, so, als wäre es in Venedig das letzte Mal. Ich schien unermessliche Mengen Blut aufnehmen zu können. Ohne Bianca etwas davon zu sagen, hielt ich dabei unaufhörlich nach Santinos Räuberbande Ausschau, in dem sicheren Gefühl, dass sie jeden Augenblick wieder auftauchen konnten. Lange nachdem ich Bianca in das goldene Gelass zurückgebracht und ihr zwischen Kleiderbündeln und sanftem Kerzenlicht ein warmes Plätzchen hergerichtet hatte, ging ich noch einmal aus zum Jagen, huschte flink über die Dächer und fing mir die schlimmsten, stärksten Mörder der Stadt. Ich wütete derart unter denen, die sich dem Bösen verschrieben hatten, dass ich mich fragte, ob die Stadt durch meine Gier bald nicht viel friedlicher wäre. Und als ich von dem Blut genug hatte, ging ich zu meinem ausgebrannten Palazzo und holte mir dort aus den Geheimverstecken das Gold, das andere nicht entdeckt hatten. Schließlich schwebte ich auf das höchste Dach, das ich finden konnte, und ließ den Blick über Venedig schweifen und sagte der Stadt Lebwohl. Es brach mir das Herz.
Die glücklichste Zeit meines Lebens hatte für mich in Todesqual geendet und für Amadeo in Verderben, und vielleicht war sie sogar für meine schöne Bianca vorbei.
Immerhin sagten mir meine dürren,
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