Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
und ich vorher Zenobia das prachtvolle schwarze Haar geschoren hatte. Und im Erzählen wurde ich ruhiger, ich war nicht mehr so niedergeschmettert und fühlte mich wieder imstande, mich den Notwendigkeiten des Lebens zu stellen.
Amadeo hatte ich all diese Geschichten nie erzählt. Auch mit Pandora war ich nie so unbeschwert zusammen gewesen, doch hier mit Bianca schien es mir ganz natürlich, zu reden und darin Trost zu finden. Und mir fiel ein, dass ich schon beim ersten Blick auf Bianca davon geträumt hatte, dass sie meine Blutsgefährtin sein könnte.
»Es gab da jemanden, den ich sehr geliebt habe«, sagte ich.
»Erzähl mir von ihm«, bat sie.
»Es war eine Frau«, entgegnete ich. Ich staunte über mich selbst, dass ich die Rede darauf brachte. Und doch fuhr ich fort. »Ich hatte sie schon gekannt, als wir beide noch sterblich waren. Ich war ein junger Mann, sie noch ein Kind. In jenen Zeiten wurden Hochzeiten beschlossen, wenn die zukünftige Gattin noch ein Kind war; doch in meinem Fall verweigerte der Vater sie mir. Ich vergaß sie jedoch nie. Und dann, später, als Das Blut schon in mir floss, trafen wir uns wieder, sie und ich…«
»Bitte, erzähl weiter.«
»Auch sie bekam Das Blut, und wir blieben zusammen. Zweihundert Jahre lang.«
»Oh, so lange Zeit?«
»Ja, es war lange, wenn es mir auch nicht so vorkam. Jede Nacht war neu, und ich liebte sie, wie sie mich liebte, aber oft hatten wir Streit…«
»Doch ihr strittet im Guten?«
»Ja, das ja – wie Recht du hast, so zu fragen. Es war immer im Guten, bis zum letzten Mal.«
»Was war da?«, fragte sie sanft.
»Ich tat etwas Grausames, ganz Verkehrtes. Ich tat ihr Unrecht. Ich verließ sie, ohne Ankündigung, ohne ein Zurück. Und nun kann ich sie nicht mehr finden.«
»Wie, du suchst immer noch nach ihr?«
»Nein. Ich weiß ja nicht einmal, wo ich sie suchen soll«, log ich ein ganz klein wenig, »aber ich halte Ausschau…«
»Warum tatest du das?«, fragte sie. »Ich meine, warum gingst du ohne Erklärung?«
»Aus Liebe und aus Zorn«, erklärte ich. »Weißt du, das ist zwar schon Jahrhunderte her, aber damals tauchten die Satansanbeter zum ersten Mal auf, von der gleichen Sorte wie die, die jetzt mein Haus niedergebrannt und Amadeo verschleppt haben. Mein Feind Santino war nicht dabei. Den gab es damals noch gar nicht. Santino gehört nicht zu den ganz Alten. Aber es war die gleiche Sorte – die, die glauben, dass sie als Bluttrinker auf der Welt sind, um dem Christengott zu dienen…«
Sie sagte erst einmal nichts, doch ich merkte ihr Entsetzen. Schließlich sagte sie: »Deshalb schrien sie immer wieder ›Gottesläster‹.«
»Ja, und damals, als sie bei uns auftauchten, redeten sie ähnliches Zeug. Sie drohten uns, und sie wollten unser Wissen.«
»Aber wieso brachte euch – dich und diese Frau – diese Sache auseinander?«
»Wir töteten sie. Es ging nicht anders. Ihr war das klar, doch ich wurde danach mürrisch und lustlos und sprach einfach nicht mehr; das machte sie wütend, und das wiederum erzürnte mich.«
»Ich verstehe«, sagte Bianca.
»Diese ganzen Auseinandersetzungen hätten nicht sein müssen. Ich verließ die Frau. Ich verließ sie, weil sie entschlossen und stark war und von Anfang an wusste, dass man diese Satansjünger vernichten muss. Mir war das damals nicht klar, und heute, Jahrhunderte später, bin ich diesem Irrtum zum Opfer gefallen. Ich wusste, dass es sie in Rom gab, diese Kreaturen; dieser Santino machte sich nämlich in Rom an mich heran. Und da schon, da hätte ich ihn und seine Anhänger umbringen müssen. Aber ich war mir zu fein dazu, siehst du, und so kam es, dass er sich über mich hermachte und mein Haus und alle meine Liebsten den Flammen zum Fraß gab.«
Lange Zeit schwieg sie entsetzt. Dann sagte sie: »Du liebst sie immer noch, diese Frau.«
»Ja. Ich kann nicht aufhören zu lieben. Auch dich werde ich immer lieben.«
»Bist du da sicher?«
»Voll und ganz«, antwortete ich, »ich habe dich auf den ersten Blick geliebt. Sagte ich dir das nicht schon?«
»Und in all den Jahren hast du immer an sie gedacht?«
»Ja, ich habe sie immer geliebt und immer an sie gedacht. Selbst die kleinsten Kleinigkeiten habe ich nicht vergessen. So einsam und von allem losgelöst, wie ich lebte, behielt ich sie fest im Gedächtnis. Ich sehe sie vor mir, höre ihre Stimme. Sie hatte eine liebliche, klare Stimme.« Ich versank einen Augenblick in Gedanken, dann sagte ich: »Sie war hochgewachsen,
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