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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sie ihm wohl sogar den Impuls eingegeben, überhaupt auf diesem Instrument zu spielen. Ich sehe das anders. Ich denke, sie öffnete die Türen und befahl ihn zu sich, doch die Geige nahm er aus eigenem Antrieb mit. Er hatte sich überlegt, dass das für sie ganz ungewohnte und deshalb wundervolle Klänge wären, und so begann er die Geiger zu imitieren, die er schon einmal hatte spielen sehen, denn eigentlich beherrschte er dieses Instrument nicht. Innerhalb von Sekunden hatte sich die Königin von ihrem Thron erhoben und bewegte sich auf ihn zu. Und er ließ in seinem Schrecken die Geige fallen, die sie unter ihren Füßen zermalmte. Sie schloss ihn in die Arme, sie bot ihm ihr Blut, und dann folgte etwas so Bemerkenswertes, dass es mich schmerzt, es hier zu offenbaren. Nicht nur, dass sie ihn von ihrem Blut trinken ließ, sie trank auch selbst von ihm. In all den Jahrhunderten, die ich zu ihr gegangen war, von ihr getrunken hatte, hatte ich doch nie ihre Zähne in meiner Haut gespürt.
    In der Tat ist mir nicht ein Bittsteller bekannt, von dessen Blut sie je getrunken hätte. Es gab einst Opferrituale, und ja, da trank sie von dem dargebotenen Opfer, das dann starb. Aber dass sie von denen trank, die als Bittsteller zu ihr kamen? Niemals. Sie war die Quelle, sie war die Gebende, die Heilerin der blutigen Götter, ihrer verbrannten Kinder, aber nie, nie trank sie selbst von ihnen. Doch von Lestat trank sie.
    Was hat sie in jenen Augenblicken gesehen? Ich kann es mir nicht vorstellen, aber es muss ein Blick auf jenes Zeitalter gewesen sein. Ein Blick in Lestats Seele. Was es auch war, es dauerte nur Sekunden, denn ihr Gemahl Enkil erhob sich und machte sich daran, dem Ganzen ein Ende zu setzen, und ich, der ich endlich dazugestoßen war, mühte mich verzweifelt, aber mit Erfolg, Lestat vor einem Ende durch Enkils Hand zu bewahren, denn der schien nichts anderes im Sinn zu haben.
    Das Königspaar kehrte auf seinen Thron zurück, beschmutzt und blutverschmiert und endlich wieder still. Aber während der restlichen Nacht war Enkil unruhig und zerschlug die Vasen und Räucherpfannen im Schrein.
    Es war eine schreckenerregende Demonstration seiner Macht. Und mir wurde klar, dass ich sofort von Lestat Abschied nehmen musste, zu seiner Sicherheit und auch meiner eigenen; und so trennten wir uns am folgenden Abend, was mich grausam schmerzte.«
    Marius schwieg abermals, und Thorne wartete geduldig ab, bis er wieder das Wort ergriff.
    »Ich weiß nicht, was mir mehr wehtat – der Verlust Lestats oder mein Neid auf ihn, weil sie ihm gegeben und von ihm genommen hatte. Ich verstehe mich selbst nicht. Weißt du, in meinen Gefühlen war sie mein Eigentum, meine Königin.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern. »Als ich sie ihm zeigte, führte ich ihm ein Besitztum vor! Siehst du, was ich für ein Lügner war?«, fragte er. »Und ihn dann gehen lassen zu müssen, diesen jungen Bluttrinker zu verlieren, mit dem ich so sehr im Einklang war! Ein Schmerz wie die Klänge einer Geige, ein dunkler, schrecklicher Schmerz!«
    »Was kann ich tun, deinen Kummer zu lindern?«, fragte Thorne. »Du trägst daran, als gäbe es sie immer noch.« Marius blickte auf, und plötzlich erhellte ein Ausdruck reinen Erstaunens sein Gesicht. »Du hast Recht«, sagte er. »Ich trage die Verpflichtung, als wäre sie noch bei mir, als ob ich selbst jetzt noch hingehen und meine Zeit in ihrem Schrein verbringen müsste.«
    »Kannst du dich denn nicht darüber freuen, dass es vorbei ist?«, wollte Thorne wissen. »Als ich in meiner Eishöhle lag, als ich diese Dinge in meinen Träumen sah, da schien es mir so, als wären dort andere, die zufrieden waren, als es vorbei war. Selbst die rothaarigen Zwillinge, die ich bei den anderen stehen sah, schienen zu spüren, dass es vollbracht und beendet war.« Marius nickte. »Dieses Gefühl teilen alle, außer Lestat vielleicht.«
    »Erzähl mir davon, wie sie schließlich erwachte«, bat Thorne, »wie sie dazu kam, ihre Kinder zu morden. Ich spürte, wie sie mit suchendem Blick an mir vorbeizog, ganz nah, und trotzdem fand sie mich nicht.«
    »Ihr sind auch andere entkommen, wenn auch niemand weiß, wie viele. Sie wurde des Gemetzels müde und kam dann zu uns. Ich denke, sie glaubte, sie hätte Zeit genug, es später zu beenden. Aber ihr eigenes Ende kam schnell genug. Und was nun diese zweite Auferstehung anging – das war auch wieder Lestat, aber ich habe nicht weniger Schuld daran. Ich brachte Den Eltern die

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