Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
ist unmöglich«, sagte Marius, »und das wusstest du schon, als du sie vor Hunderten von Jahren verließest und dich zum Schlaf ins Eis zurückzogst. Sie hat unvorstellbare Kräfte. Und ich kann dir mit Gewissheit sagen, dass ihre Schwester sie nie allein lässt.«
Thorne fand keine Worte. Als er endlich sprach, war es ein angespanntes Flüstern.
»Warum hasse ich sie dafür, dass sie mir diese Art Leben gab, wenn ich doch meine sterblichen Eltern nie gehasst habe?« Marius nickte und lächelte bitter.
»Eine kluge Frage«, sagte er. »Gib die Hoffnung auf, ihr etwas antun zu können. Hör auf, von den Ketten zu träumen, mit denen sie Lestat band, außer du wünschst dir ehrlich, ebenfalls in diesen Ketten zu liegen.« Nun nickte Thorne.
»Aber woraus bestanden diese Ketten?«, fragte er in dem gleichen angespannten, bitteren Ton. »Und warum möchte ich, hasserfüllt, wie ich bin, ihr Gefangener sein? Damit sie, wenn sie mich in ihrer Nähe hat, meinen Groll Nacht für Nacht spüren muss?«
»Ketten, aus ihrem roten Haar gesponnen?«, vermutete Marius mit leichtem Schulterzucken. »Zusammengefügt durch Stahl und Blut? Oder vielleicht durch Stahl und Blut und Gold? Ich habe sie nie zu Gesicht bekommen. Ich wusste nur, dass diese Ketten Lestat in seiner Wut fesseln konnten.«
»Ich muss wissen, woraus sie waren«, sagte Thorne. »Ich muss Maharet finden.«
»Schwör diesem Vorhaben ab, Thorne«, sagte Marius. »Ich kann dich nicht zu ihr bringen. Und was, wenn sie dir winkte, wie einst vor langer Zeit, und dich dann tötete, wenn sie deinen Hass entdeckte?«
»Als ich sie verließ, wusste sie schon, dass ich sie hasse.«
»Und warum bist du gegangen?«, fragte Marius. »War es die schlichte Eifersucht auf andere, wie sie mir deine Gedanken vorhin enthüllten?«
»Sie bevorzugte immer mal wieder einen. Es war nicht auszuhalten. Du sprichst von einem Druidenpriester, aus dem ein Bluttrinker wurde. Ich kenne ihn. Sein Name war Mael, der Name, den auch du genannt hast. Sie nahm ihn in ihren kleinen Zirkel auf, als willkommenen Liebhaber. Er hatte Das Blut schon lange und wusste vieles zu erzählen, und das war es, wonach sie am meisten verlangte. Zu der Zeit wandte ich mich von ihr ab. Ich glaube, sie merkte nicht einmal, dass ich ging. Kaum dass sie meinen Hass spürte.«
Marius lauschte gebannt. Dann sagte er sanft und duldsam: »Mael – groß und hager, mit vorspringender Nase und tief liegenden Augen, die blonden Haare lang, wie es einst der Dienst in dem Heiligen Hain verlangte. Das ist der Mael, der deine süße Maharet von dir fortlockte?«
»Ja«, antwortete Thorne. Er merkte, dass der Schmerz in seiner Brust nachließ. »Und süß war sie, das kann ich nicht leugnen, und sie hat mich nie verächtlich zurückgewiesen. Ich – ich bin fortgegangen, in die Länder des Nordens. Ich – ich hasste ihn, wegen seiner schmeichlerischen Art und seiner klugen Geschichten.«
»Such nicht die Auseinandersetzung mit ihr«, sagte Marius. »Bleib hier bei mir, und mit der Zeit erfährt sie vielleicht, dass du hier bist, und sendet dir dann Willkommensgrüße. Sei klug, ich bitte dich.«
Thorne nickte. Die schreckliche Schlacht schien geschlagen. Sein Groll war vergangen, denn er hatte ihn eingestanden, und nun saß er ruhig beim Feuer, nicht länger der zornige Krieger. Das ist die Magie der Worte, dachte er.
Dann kam ihm abermals eine Erinnerung. Es war vor sechs Jahrhunderten. Er lag in ihrer Höhle und sah das Flackern eines Feuers. Er war gefesselt und konnte sich nicht rühren. Sie lag neben ihm, schaute ihm in die Augen und flüsterte ihm etwas zu. Er konnte sich nicht an die Worte erinnern, denn sie waren Teil von etwas Größerem, Entsetzlicherem, etwas, das so stark war wie die Fäden, die ihn banden.
Jetzt konnte er diese Fäden zerreißen. Er konnte sich von den Erinnerungen lösen und sich sicher hier in diesem Raum einrichten. Er konnte Marius anschauen. Ein stieß einen langen Seufzer aus.
»Wenn du nichts dagegen hast, nimm doch deine Geschichte wieder auf«, bat er. »Als die Königin vernichtet war und die Zwillinge fort waren, warum hast du da dem Bluttrinker Lestat gegenüber deinen Zorn nicht gezeigt? Warum hast du dich nicht gerächt? Du bist betrogen worden! Und eine Katastrophe war die Folge.«
»Weil ich ihn weiterhin lieben wollte«, sagte Marius, als wenn er die Antwort schon längst gekannt hätte, »und ich wollte, dass er mich liebt, und ich brachte es nicht über mich, meinen
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