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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Musik? Nie. Erst als die Neuzeit es möglich machte, tönte Lestats Musik plötzlich in dem Raum, wo sie in ihrem schimmernden Gewand saß, und erweckte sie, nicht nur einmal, sondern noch ein zweites Mal. Und dieses zweite Unglück erschreckte mich nicht weniger als ihr erstes Erwachen, doch beim ersten Mal konnte es noch rasch in Ordnung gebracht werden. Diese kleine Überraschung ereignete sich zweihundert Jahre vorher, auf einer Insel im Ägäischen Meer – und es hätte mir eine Lehre sein sollen. Aber mein Hochmut verhinderte das.«
    »Was war geschehen?«
    »Lestat war gerade erst zum Bluttrinker geworden; er hatte von mir gehört und suchte nach mir – ehrlichen Herzens. Er wollte erfahren, was ich zu enthüllen hätte. Er hatte mich in der ganzen Welt gesucht; und dann kam ein Zeitpunkt, da war er schwach und gebrochen – die Gabe der Unsterblichkeit hatte das bei ihm ausgelöst. Er hatte sich unter die Erde verkrochen, wie du dich ins Eis des hohen Nordens.
    Ich nahm ihn mit zu mir; ich sprach mit ihm, wie ich nun hier mit dir spreche. Aber etwas Merkwürdiges geschah, es überkam mich ganz unerwartet. Ich fühlte eine plötzliche Zuneigung zu ihm, verbunden mit einem tiefen Vertrauen. Er war jung, aber nicht naiv. Und wenn ich erzählte, war er der beste Zuhörer. Als ich den Lehrer spielte, kam kein Widerspruch von ihm. Ich wollte ihm meine alten Geheimnisse erzählen. Ich wollte ihm das Geheimnis von unserem Königspaar enthüllen. Seit langer Zeit hatte ich niemandem davon erzählt. Ein ganzes Jahrhundert lang hatte ich einsam unter Sterblichen gelebt. Und Lestat, in seiner tiefen Verehrung für mich, schien meines ganzen Vertrauens würdig.
    Ich führte ihn in den unterirdischen Schrein. Ich öffnete die Tür zu den beiden Gestalten auf ihrem Thron. Im ersten Moment glaubte er, unsere Heiligen Eltern seien Statuen, aber plötzlich merkte er, dass sie lebten. Tatsächlich erkannte er sofort, dass sie Bluttrinker waren, dass sie sehr, sehr alt waren und sich in ihnen sein Los spiegelte, wenn er denn ebenso viele Jahrtausende überdauerte wie sie.
    Das ist eine schwer zu bewältigende Erkenntnis. Selbst den Jungen, die mich ansehen, fällt es schwer, sich klar zu machen, dass sie ebenso bleich und hart werden könnten wie ich. Die Eltern so zu sehen, war grauenerregend, und Lestat wurde von Furcht überwältigt.
    Dennoch gelang es ihm, seine Angst im Zaum zu halten und sich der Königin zu nähern, sie sogar auf den Mund zu küssen. Das war ausgesprochen kühn, aber ich konnte ihm ansehen, dass dieses Verhalten seiner Natur entsprach. Als er sich von ihr zurückzog, gestand er mir, dass er ihren Namen wisse. Akasha. Sie hatte ihm den Namen durch die Gabe des Geistes übermittelt. Aus den Tiefen ihrer in Schweigen zugebrachten Jahrhunderte hatte sie ihre Stimme mit diesem verführerischen Bekenntnis aufs Neue erhoben.
    Du musst dir klar machen, dass Lestat sehr jung war. Mit zwanzig hatte er Das Blut bekommen und war seit etwa zehn Jahren ein Bluttrinker, kaum länger.
    Was sollte ich von dem Kuss und der Namensenthüllung nun halten?
    Ich verleugnete meine Liebe und meine Eifersucht, meine bittere Enttäuschung. Ich sagte mir: Für so etwas bist du zu weise. Lerne aus dem Geschehenen. Vielleicht wird dieser junge Bluttrinker dadurch etwas Herrliches bei ihr bewirken. Ist sie nicht eine Göttin?
    Ich brachte Lestat zurück in meinen Salon, einen Raum, der ebenso gemütlich ausgestattet war wie dieser hier heute, wenn auch in einem anderen Stil, und wir unterhielten uns bis zum frühen Morgen. Ich erzählte ihm, wie ich ein Bluttrinker wurde, und von meiner Reise nach Ägypten. Tiefernst und voller Edelmut spielte ich den Lehrmeister. Ich wollte, dass er alles erfuhr, aber ich fragte mich, tat ich es um Lestats willen oder um meinetwillen? Eines weiß ich jedenfalls: Es waren glanzvolle Stunden für mich.
    In der folgenden Nacht jedoch, während ich mich den Sterblichen widmete, die auf meiner Insel lebten und mich als ihren Herrn ansahen, tat Lestat etwas Fürchterliches. Er hatte eine Geige in seinem Gepäck – ein Musikinstrument mit unheimlicher Wirkung –, die ihm sehr viel bedeutete, und damit ging er hinunter in den Schrein.
    Es ist mir natürlich klar – war mir damals schon klar –, dass er das nicht ohne die Unterstützung der Königin hätte bewerkstelligen können, die mit der Gabe des Geistes die vielen Türen für ihn öffnete, die sie voneinander trennten.
    Wie Lestat mir sagte, hat

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