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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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könnt auch so leben, wenn ihr wollt«, erklärte ich. »Nun müsst ihr neue Kleider von mir annehmen. Ich kann sie euch mühelos zur Verfügung stellen. Und für eure Füße feine Sandalen. Wenn ihr vielleicht ein Haus möchtet, eine vornehme Unterkunft, in der ihr eure Mußestunden verbringen könnt, dann kann ich euch helfen, eines zu beschaffen. Bitte, nehmt das von mir an.« Maels Augen flammten vor Hass.
    »O ja«, flüsterte er; vor lauter Zorn konnte er nicht die Stimme erheben. »Und warum bietest du uns nicht gleich eine Villa in der Bucht von Neapel an, mit marmornen Balustraden, von denen aus man über das blaue Meer blicken kann?« Avicus sah mich an. Er schien tief im Innern ganz ruhig zu sein und von meinen Worten wahrhaft bewegt. Aber wozu war das gut? Ich sagte nichts mehr.
    Meine stolze Ruhe zerbrach plötzlich. Der Zorn packte mich aufs Neue und damit das Gefühl der Ohnmacht. Ich dachte an die hymnischen Gesänge des Haines, und ich hätte mich, wie abstoßend es auch wäre, am liebsten auf Mael gestürzt und ihm im wahrsten Sinne des Wortes ein Glied nach dem anderen ausgerissen.
    Würde Avicus auch nur einen Finger zu seiner Rettung rühren? Es war zu erwarten. Aber was, wenn nicht? Und was, wenn ich, der ich von der Königin getrunken hatte, mich als stärker als beide zusammen erwies?
    Ich schaute zu Mael. Er hatte keine Angst vor mir, was ich interessant fand. Und dann kehrte mein Stolz zurück. Ich konnte mich nicht länger zu einer gewöhnlichen physischen Auseinandersetzung herablassen, besonders nicht zu einer so widerwärtigen, aus der ich vielleicht nicht einmal als Sieger hervorginge. Nein, dazu war ich zu weise; und ich war zu gutmütig. Ich war Marius, der die Übeltäter erschlägt, und das da war Mael, ein Narr.
    Sie schickten sich an, durch den Garten hinauszugehen, und ich fand einfach keine Worte für sie, aber Avicus wandte sich um und sagte schnell: »Leb wohl, Marius. Ich danke dir, und ich werde dich in Erinnerung behalten.« Diese Worte trafen mich im Innersten.
    »Leb wohl, Avicus«, antwortete ich. Und ich lauschte ihnen nach, wie sie in der Nacht verschwanden. Ich saß da und fühlte drückende Einsamkeit über mir zusammenschlagen. Ich betrachtete meine vielen Bücherregale, meinen Schreibtisch und das Tintenfass. Ich betrachtete die Bilder an den Wänden. Ich hätte wirklich versuchen sollen, mit Mael Frieden zu schließen, um Avicus als Freund haben zu können.
    Ich sollte ihnen hinterhergehen, den beiden. Ich sollte in sie dringen, dass sie bei mir blieben. Wir hatten uns so vieles zu sagen. Ich brauchte sie, wie sie einander brauchten. Wie ich Pandora brauchte.
    Aber ich wählte den Selbstbetrug. Ich wählte ihn aus Zorn und lebe damit. Das ist es, was ich dir zu sagen versuche. Ich habe immer mit der Täuschung gelebt. Immer und immer wieder. Ich lebe damit, weil ich die Ohnmacht nicht ertragen kann, die der Zorn erzeugt, und ich kann die Irrationalität der Liebe nicht zulassen. Ach, die Lügen, die ich mir und anderen erzählt habe! Ich wusste es, und doch wusste ich es nicht.

 
     
     
6
     
    E inen ganzen Monat lang wagte ich nicht, zum Schrein Jener, die bewahrt werden müssen zu gehen.
    Ich wusste, dass Mael und Avicus immer noch in Rom jagten. Mit der Gabe des Geistes erhaschte ich hin und wieder einen flüchtigen Hinweis auf sie, und gelegentlich spionierte ich sogar ganz gezielt ihre Gedanken aus. Manchmal hörte ich ihre Schritte.
    Tatsächlich kam es mir so vor, als ob Mael mich mit seiner Gegenwart quälen wollte und mir den Spaß an meinem Besitz in dieser großen Stadt zu verderben suchte. Das verbitterte mich. Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, ihn und seinen Gefährten zu vertreiben.
    Außerdem litt ich beträchtlich darunter, dass ich mich in Gedanken so sehr mit Avicus beschäftigte und sein Gesicht nicht vergessen konnte. Wie war dieser Fremde veranlagt, fragte ich mich. Was würde es ihm bedeuten, mein Gefährte zu sein? Das würde ich wohl leider nie erfahren.
    Derweil nutzten manchmal auch andere Bluttrinker die Stadt als ihr Jagdgebiet. Ich spürte ihre Anwesenheit immer sofort, und in einer bestimmten Nacht hatten Avicus und Mael zweifelsohne ein kleines Scharmützel mit einem kraftvollen, feindseligen Bluttrinker. Durch die Gabe des Geistes sah ich alles, was vor sich ging. Die beiden jagten dem fremden Besucher einen solchen Schrecken ein, dass er noch vor Tagesanbruch verschwunden war und sogar zuvor unterwürfig versprochen

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