Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
da hatte er sich gerührt, hatte mir den Weg zu Akasha, seiner Königin, verstellt. Nur unter Schwierigkeiten hatte er dazu bewegt werden können, seine sitzende Haltung als König wieder einzunehmen. Akasha hatte in diesem alles entscheidenden Augenblick mit mir an einem Strang gezogen, aber ihrer beider Bewegungen waren schwerfällig und unheimlich gewesen, ein fürchterlicher Anblick. Das war dreihundert Jahre her, und seitdem hatte sich nur einer der beiden noch gerührt – Akasha, als sie ihre Arme geöffnet und Pandora an ihrer Brust willkommen geheißen hatte. Oh, welchen Segen doch Pandora durch diese Geste von Akasha empfing! Ich würde es mein ganzes langes Dasein hindurch nicht vergessen.
Was aber dachte Enkil, fragte ich mich. Hatte er je Eifersucht verspürt, weil ich meine Gebete an Akasha richtete? Wusste er es überhaupt?
Wie auch immer, jedenfalls erzählte ich ihm in stummem Gespräch, dass ich ihm ergeben war, dass ich ihn und seine Königin stets beschützen würde.
Und dann, als ich sie betrachtete, verließ mich plötzlich alle Vernunft.
Ich ließ Akasha wissen, wie tief ich sie verehrte und mit welcher Gefahr mein Kommen verbunden war. Dass ich nur aus Vorsicht so lange fortgeblieben war. Nie hätte ich aus eigenem Antrieb den Schrein so lange allein gelassen. Eigentlich hatte ich hier sein und mit meiner vampirischen Kunstfertigkeit Gemälde für die Wände des Schreins entwerfen oder Mosaiken für sie machen müssen. Auch wenn ich mich nie als besonders künstlerisch begabt empfand, so hatte ich doch meine Fähigkeiten eingesetzt, um ganz brauchbare – tatsächlich sogar sehr gute – Gemälde für den Schrein in Antiochia herzustellen, und mir so die einsamen Nachtstunden vertrieben.
Aber hier waren die Wände einfach weiß getüncht, sodass die mitgebrachte Blumenpracht willkommene Farbtupfer abgab.
»Meine Königin, hilf mir«, betete ich. Und dann, als ich gerade erklären wollte, wie elend ich mich wegen der Nähe dieser beiden Bluttrinker-Gefährten fühlte, kam mir ein entsetzlicher, aber ganz einleuchtender Gedanke: Avicus konnte nie mein Gefährte werden! Keiner konnte das jemals. Denn jeder auch nur mit leidlichen Fähigkeiten gesegnete Bluttrinker konnte in meinem Geist das Geheimnis über Jene, die bewahrt werden müssen lesen. Ich war eitel und töricht gewesen, als ich Mael und Avicus Kleidung und Obdach angeboten hatte. Ich war dazu verurteilt, allein zu bleiben! Mir war übel und kalt in meinem Elend. Ich hob den Blick zu der Königin, und ich fand keine Worte für ein Gebet. Zuletzt bat ich hilflos: »Schick Pandora zu mir zurück. Wenn du sie damals wirklich zu mir geführt hast, dann bring sie nun zurück zu mir, ich bitte dich. Ich werde nie wieder mit ihr zanken. Ich werde sie nie wieder beleidigen. Diese Einsamkeit, sie ist unerträglich. Ich muss ihre Stimme hören. Ich muss sie sehen.« So betete ich wieder und wieder, bis ich plötzlich aufschreckte, weil Avicus und Mael möglicherweise in der Nähe waren; und ich erhob mich, strich meine Kleider glatt und schickte mich an zu gehen.
»Ich werde wiederkommen«, erklärte ich Der Mutter und Dem Vater. »Ich werde diesen Schrein für euch ebenso schön herrichten wie den in Antiochia, nur warten wir besser, bis die beiden fort sind.«
Ich war schon auf dem Weg nach draußen, als mir unvermittelt ein Gedanke kam – ich brauchte mehr von Akashas mächtigem Blut. Ich brauchte es, damit ich stärker als meine Feinde war. Ich brauchte es, um zu ertragen, was mir auferlegt war. Nun musst du wissen, dass ich seit jenem ersten Mal nie wieder von Akashas Blut getrunken hatte. In jener Nacht in Ägypten hatte sie mir stumm übermittelt, dass ich sie aus dem Land fortbringen sollte. Da, und einzig da, hatte ich von ihrem Blut gekostet. Selbst als Pandora zu einem Bluttrinker wurde und von Akasha trank, hatte ich nicht gewagt, mich Der Mutter zu nähern. In der Tat wusste ich sehr wohl, wie Die Mutter jene niederschlug, die ihr mit Gewalt das heilige Blut stehlen wollten, denn ich war Zeuge eines solchen verbrecherischen Versuchs gewesen.
Als ich nun vor dem Podest des Königspaares stand, fraß sich diese Idee in mir fest. Ich musste noch einmal vom Blut Der Mutter trinken.
Stumm bat ich um ihre Erlaubnis. Ich wartete auf ein Zeichen. Als Pandora damals zum Vampir wurde, hatte Akasha einen Arm gehoben und sie zu sich gewunken. Das zu sehen hatte mich erstaunt. Ich wünschte mir, dass es nun ebenso wäre. Sie gab mir
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