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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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diskutieren, ich sollte dafür sorgen, dass der Verurteilte dem Gott übergeben würde. Ich sollte ihn in die Eiche begleiten. Ich fürchtete mich nicht davor. Und sie sollten sich beeilen, da der Gott und ich vielleicht die ganze Nacht brauchten, um den Zauber zu wirken. Etwa eine Stunde ging dahin, bis sie den Unglücklichen fanden, der in der Eiche seinen Tod finden sollte, aber endlich brachten sie ihn; er war gebunden und weinte, und voller Furcht schlossen sie die schwere Pforte auf.
    Ich konnte die wachsende Wut des Gottes, der da drinnen saß, spüren, konnte seinen Hunger spüren. Und indem ich den armen, elenden Verurteilten vor mir her stieß, betrat ich, eine Fackel in der Hand, den hohlen Baum.« Mit einem kleinen Lächeln nickte ich wissend. Derweil waren Maels Augen zu Avicus gehuscht.
    »Drinnen stand Avicus, kaum anders anzusehen als jetzt hier«, sagte Mael, wobei er immer noch seinen Gefährten ansah. »Er stürzte sich sofort auf den verurteilten Mann und trank mit barmherziger Schnelligkeit das Blut des bemitleidenswerten Opfers; dann schleuderte er den Leichnam zur Seite. Anschließend wandte er sich ungestüm an mich, nahm mir die Fackel aus der Hand und hängte sie gefährlich nahe am Holz an der Wand auf. Er packte mich bei der Schulter: ›Erzähl mir von Marius, erzähl mir, wie er aus der Heiligen Eiche entkam. Erzähl’s mir, oder ich töte dich auf der Stelle.‹«
    Avicus hörte sich all das mit ruhiger Miene an. Er nickte, als wollte er sagen: Ja, so war es.
    Mael wandte sich von ihm ab und richtete den Blick wieder starr geradeaus.
    »Er tat mir weh«, fuhr er fort. »Wenn ich nicht schnell geantwortet hätte, hätte er mir die Schulter gebrochen, also redete ich; er hätte genauso gut meine Gedanken lesen können, das wusste ich. Also sagte ich: ›Gib mir das Blut der Finsternis, und wir fliehen gemeinsam, wie du es versprochen hast. Was ich weiß, ist kein großes Geheimnis. Man braucht nur Kraft und Schnelligkeit. Wir springen auf einen Ast und nehmen den Weg durch die Wipfel der Bäume, das können unsere Verfolger nicht so leicht nachmachen.‹
    ›Aber du weißt, wie es in der Welt zugeht‹, sagte Avicus, ›ich weiß überhaupt nichts. Ich bin seit Hunderten von Jahren hier eingekerkert. Ich kann mich nur vage an Ägypten erinnern und auch nur ganz schwach an die Große Mutter. Du musst mein Führer sein. Deshalb gebe ich dir den Zauber, und ich werde es sorgfältig und gründlich tun.‹
    Er hielt sein Versprechen. Er machte mich sehr stark. Danach belauschten wir gemeinsam mit Gedanken und Gehör die Versammlung der Druidenpriester und die Getreuen des Waldes; und als wir feststellten, dass sie nichts von unserer Flucht ahnten, sprengten wir mit vereinten Kräften die Pforte. Ohne Umschweife flüchteten wir durch die Wipfel der Bäume, wie du es damals getan hattest, Marius. Und so ließen wir unsere Verfolger weit hinter uns, und ehe der Morgen graute, jagten wir schon in einer viele Meilen entfernten Ansiedlung.«
    Er sank wie von diesem Geständnis erschöpft in seinen Stuhl zurück.
    Und ich, der ich dasaß, immer noch zu duldsam und zu stolz, ihn zu töten, sah nun, wie er mich in seine Geschichte verwoben hatte, und wunderte mich darüber. Ich schaute zu Avicus, der so lange als Gott in dem Baum gelebt hatte. Avicus sah mich ganz ruhig an.
    »Seitdem sind wir zusammen«, sagte Mael mit etwas gedämpfter Stimme. »Wir jagen in den großen Städten, das ist einfacher; und was wir über die Römer denken, die als Eroberer kamen? Wir jagen in Rom, weil es die größte aller Städte ist.« Ich sagte nichts.
    »Manchmal treffen wir auf andere«, sprach Mael weiter. Unvermittelt schoss sein Blick zu mir herüber. »Und manchmal müssen wir mit ihnen kämpfen, weil sie uns nicht in Frieden lassen wollen.«
    »Inwiefern?«, fragte ich.
    »Sie waren Götter des Haines, genau wie Avicus, sie haben schwere Verbrennungen und sind geschwächt, und sie wollen unser starkes Blut. Solche hast du doch sicher auch schon gesehen. Sie müssen dich doch entdeckt haben. Du kannst ja nicht diese ganzen Jahre im Verborgenen gelebt haben.« Ich antwortet nicht.
    »Aber wir können uns verteidigen«, fuhr er fort. »Wir haben unsere Verstecke, und die Jagd auf Sterbliche ist unser Sport. Was soll ich noch sagen?«
    Und das war seine Geschichte.
    Ich dachte an meine eigene Existenz, an mein Leben, das so voll gestopft war mit Lesen, mit Streifzügen und so vielen Fragen, und neben der

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