Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
jedoch kein Zeichen, dennoch wütete diese fixe Idee in mir, bis ich mich schließlich auf Akasha zubewegte, fest entschlossen, ihr göttliches Blut zu trinken oder zu sterben. Plötzlich hatte ich meine kalte, liebliche Akasha umschlungen, einen Arm um ihren Rücken gelegt, und mit der anderen Hand hielt ich ihren Kopf. Immer weiter näherte ich mich ihrem Hals. Endlich pressten sich meine Lippen auf ihr kaltes, unnachgiebiges Fleisch, und sie hatte sich noch nicht geregt, um mich zu vernichten. Keine tödliche Hand umfasste meinen Hinterkopf. Schweigend wie stets ertrug sie meine Umarmung.
Dann stießen meine Zähne durch die Oberfläche ihrer Haut, und das dickflüssige Blut, Blut, wie es in sonst keinem von uns fließt, strömte in meinen Mund. Sofort fand ich mich in einem Traumzustand, in dem ich in einem sonnendurchfluteten Paradies dahinschwebte, mit grünem Gras und blühenden Bäumen. Wie tröstlich das war, ein heilender Balsam. Es schien ein Garten aus den alten römischen Mythen zu sein, mir seltsam vertraut, niemals dem Winter ausgesetzt und überquellend von segensreichem Blütenflor. Ja, vertraut und ein sicherer Hort für alle Zeit war er, dieser grünende Fleck.
Das Blut tobte in mir, ich konnte spüren, wie es mich aushärtete, wie schon damals, als es das erste Mal in meine Adern gespült worden war. Die Sonne in diesem vertrauten Garten wurde heller und heller, bis die Bäume sich im grellen Licht auflösten. Ein kleines Stück meines Ichs, sehr klein und schwach, fürchtete sich vor dieser Sonne, aber der größere Teil genoss es, genoss die Wärme, die mich durchdrang, und den Trost, den ich aus dem Anblick zog; und dann auf einmal, so schnell, wie er begonnen hatte, war der Traum auch wieder zu Ende.
Ich lag auf dem kalten, harten Boden des Schreins, mehrere Fuß von dem Podest entfernt, flach auf dem Rücken. Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, was geschehen war. War ich verletzt? Stand mir noch ein schreckliches Strafgericht bevor? Aber innerhalb von Sekunden merkte ich, dass meine Glieder gesund und heil wie je waren und dass das Blut mich immens gekräftigt hatte, wie es meine Vermutung gewesen war. Ich erhob mich auf die Knie und versicherte mich mit einem schnellen Blick, dass das königliche Paar die gleiche Haltung wie zuvor einnahm. Warum war ich von Akasha mit solcher Gewalt fortgeschleudert worden? Ich konnte keine Veränderung erkennen. Dann hob ich zu einem langen, stummen Dankgebet an für das, was stattgefunden hatte. Erst als ich mir sicher war, dass nichts mehr geschehen würde, stand ich auf, erklärte, dass ich bald wiederkäme, um mit dem Ausschmücken des Schreins zu beginnen, und ging fort.
Auf dem Weg nach Hause war ich schrecklich aufgeregt. Meine gesteigerte Behändigkeit und Geistesschärfe waren mir mehr als willkommen. Ich beschloss, einen Selbstversuch zu machen. Ich nahm meinen Dolch und rammte ihn mir so tief in die linke Hand, dass er an der anderen Seite herauskam, dann zog ich ihn heraus und beobachtete die Wunde. Sie heilte unverzüglich. Sofort nahm ich eine Rolle feinsten Pergamentes, breitete sie aus und begann, in einer Geheimschrift, die sonst niemand entziffern konnte, niederzuschreiben, was geschehen war. Ich wusste allerdings nicht, warum ich mich nach dem Genuss des Blutes auf dem Boden der Kapelle wiedergefunden hatte. »Die Königin hat mir abermals erlaubt, von ihr zu trinken, und wenn das häufiger geschieht, wenn ich vom Blute unserer geheimnisumwitterten Majestät zehren darf, kann ich ungeheure Kraft erlangen. Selbst der Bluttrinker Avicus wird mir nicht gewachsen sein, wenn das auch vielleicht vor dieser Nacht anders gewesen ist.«
Tatsächlich stellte sich heraus, dass ich die Auswirkungen des Geschehenen richtig eingeschätzt hatte, und während der folgenden Jahrhunderte ging ich Akasha wieder und wieder um ihr Blut an, nicht nur, als ich schwere Verletzungen erlitten hatte – davon werde ich dir noch erzählen –, sondern auch, wenn es mich gerade überkam, so, als habe sie mich auf den Gedanken gebracht. Aber nie, niemals, wie ich dir ja schon gestanden habe, drückte sie ihre Zähne in meine Haut und trank von meinem Blut. Nein, dieses Privileg blieb dem Bluttrinker Lestat überlassen. In den folgenden Monaten leistete ihr Blut mir gute Dienste. Ich stellte fest, dass meine geistigen Kräfte sich noch verstärkt hatten. Ich konnte Maels und Avicus’ Anwesenheit über eine weite Entfernung wahrnehmen, und obwohl ein
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