Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
diesen Jahren auf die übliche Wandmalerei, wie ich sie in so vielen römischen Häusern gesehen hatte – fröhlich feiernde Götter und Göttinnen in Gärten, die in ewigem Frühling und in einem Meer von Blüten und Früchten prangten. Eines Abends war ich eifrig am Werk, sang leise vor mich hin und war ganz glücklich inmitten meiner Farbtiegel, als mir plötzlich klar wurde, dass der Garten, an dem ich da gewissenhaft arbeitete, ebender war, den ich gesehen hatte, als ich Akashas Blut trank. Ich hielt inne, saß, einem Kind gleich, mit gekreuzten Beinen ganz still auf dem Boden des Schreins und schaute zu den verehrungswürdigen Eltern auf. Sollte das so sein?
Ich hatte keine Ahnung. Der Garten kam mir ein wenig bekannt vor. Hatte ich ihn vielleicht schon viel früher einmal gesehen, lange bevor ich von Akasha trank? Ich konnte mich nicht erinnern. Und ich, Marius, bildete mir doch so viel auf mein Gedächtnis ein! Ich nahm die Arbeit wieder auf. Ich übertünchte eine ganze Wand und begann noch einmal von vorn, um das Bild noch vollkommener zu machen. Ich gestaltete die Bäume und Sträucher noch schöner. Ich malte das Sonnenlicht und sein Spiel auf den grünen Blättern.
Wenn ich keine Einfälle mehr hatte, schlich ich mich mit dem Geschick des Bluttrinkers in eine der schönen Villen außerhalb der Mauern dieser riesigen, sich immer weiter ausdehnenden Stadt und untersuchte im trüben Licht der Nacht prüfend die üppigen Fresken auf für mich neue Figuren, Tänze, Haltungen und Lächeln.
Das gelang mir natürlich ganz leicht, ohne dass jemand aus dem Schlaf geweckt wurde, und manchmal brauchte ich mir deswegen auch keine Gedanken zu machen, weil niemand da war. Rom war riesig und geschäftig wie je, aber in Anbetracht all der Kriege, der unbeständigen Politik, der Ränke schmiedenden Verschwörer und der Kaiser, die kamen und gingen, wurden viele Leute verbannt – und regelmäßig auch wieder heimgerufen –, sodass mir große Häuser offen standen, die ich in aller Ruhe genüsslich durchstreifen konnte.
Mittlerweile waren die Gastmähler, die ich abhielt, so berühmt geworden, dass mein Haus stets voll war. Und was ich mir auch für die jeweils kommende Nacht vorgenommen hatte, ich begann sie immer in der herzerwärmenden Gesellschaft von Trinkbrüdern, die schon mit Streitgesprächen und Schmauserei beschäftigt waren, ehe ich eintraf.
»Ah, Marius! Willkommen!«, so riefen sie, wenn ich ins Zimmer trat. Und ich lächelte sie freundlich an, meine geschätzte Gesellschaft!
Nie schöpfte einer von ihnen Verdacht, und ich, ich entwickelte nach und nach Zuneigung zu einigen dieser köstlichen Geschöpfe, aber ich vergaß nie, dass ich ein Menschenjäger war und von ihnen keine Gegenliebe verlangen durfte, also hielt ich mein Herz im Zaum.
Und so vergingen Jahre in dieser tröstlichen menschlichen Gesellschaft, in denen ich die Betriebsamkeit eines Wahnsinnigen entfaltete, hier in meine Tagebücher schrieb, die ich anschließend stets verbrannte, oder da die Wände des Schreins mit Malereien versah.
Inzwischen waren die elenden, Schlangen anbetenden Bluttrinker abermals aufgetaucht und versuchten, ihre albernen Tempel in einer der verlassenen Katakomben zu errichten, die von sterblichen Christen nicht mehr als Versammlungsort genutzt wurden. Und wieder vertrieben Avicus und Mael sie. Ich nahm all dies als Beobachter wahr und fühlte mich unsäglich erleichtert, dass ich nicht zum Handeln gezwungen worden war, während ich mich schmerzlich daran erinnerte, wie ich eine solche Gruppe in Antiochia abgeschlachtet hatte und infolgedessen in einen beklagenswerten Wahnzustand verfallen war, der mich für alle Zeiten Pandoras Liebe gekostet hatte.
Aber nein, nicht für alle Zeit; bestimmt würde sie zu mir zurückkommen, dachte ich und schrieb es in meine Tagebücher. Ich legte die Feder nieder und schloss die Augen. Ich sehnte mich nach Pandora. Ich betete, dass sie zu mir käme. Ich stellte sie mir vor, mit ihrem in feinen Wellen fallenden braunen Haar und dem ovalen Gesicht mit dem melancholischen Ausdruck. Ich versuchte mir ganz genau den Schnitt ihrer Züge und die intensive Farbe ihrer dunklen Augen ins Gedächtnis zu rufen. Wie sie immer mit mir diskutiert hatte. Wie gut sie die Werke der Dichter und Philosophen kannte. Wie sie zu argumentieren wusste. Und ich, ich hatte allzu sehr über sie gespottet. Ich kann dir nicht sagen, wie viele Jahre auf diese Weise vergingen.
Mir war bewusst, dass, obwohl
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