Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
wir drei, und als wir unterwegs waren, stellte ich als Erstes fest, dass weder Mael noch Avicus sich mit der ihren Kräften entsprechenden Geschwindigkeit fortbewegten. Ich sagte ihnen, dass sie schneller gehen sollten, besonders da kein Sterblicher sie beobachten könnte, und schon bald sah ich sie in stummem Entzücken, weil sie ihre Fähigkeiten nun besser nutzen konnten.
    Als wir vor dem Schrein ankamen, zeigte ich ihnen, dass es selbst für einen ganzen Trupp Sterblicher unmöglich war, die Tür aus Granit zu öffnen, und dann entzündete ich die Fackel und führte sie die steinernen Stufen hinab.
    »Dies ist nun heiliger Boden«, merkte ich an, ehe ich die bronzenen Türflügel öffnete. »Sagt nichts Unehrerbietiges oder plappert unbedacht daher, und redet nicht von ihnen, als könnten sie euch nicht hören.«
    Die beiden waren wie unter einem Bann.
    Ich öffnete die Türen zum Schrein, entzündete die Fackel darin, dann hieß ich sie eintreten und sich vor dem niedrigen Podest aufstellen. Ich hielt die Fackel hoch erhoben. Alles war perfekt, wie ich es vorausgesetzt hatte. Die Königin saß wie stets da, die Hände ruhten auf ihren Schenkeln. Enkil hatte die gleiche Haltung eingenommen. Beider Angesicht in dem prächtigen Rahmen schwarzen geflochtenen Haares war in schmerzloser Schönheit erstarrt und gedankenleer.
    Wer hätte bei ihrem Anblick gedacht, dass Leben in ihren Adern pulsierte?
    »Mutter und Vater«, sagte ich klar, »ich habe euch zwei Besucher mitgebracht, die darum gebeten haben, euch zu sehen. Dies sind Mael und Avicus. Sie kommen voller Ehrerbietung und Respekt.« Mael sank auf die Knie. Die Geste schien für ihn so normal wie für einen Christen. Er streckte die Arme aus. Er begann in der Sprache der Druidenpriester zu beten. Er sagte der Königin, dass sie wunderschön sei. Er erzählte ihr von den alten Göttern in den Eichbäumen. Und dann bat er sie um ihr Blut. Avicus zuckte erschreckt zusammen, und ich schätze, mir ging es nicht anders.
    Aber ich war mir sicher, etwas in Akasha war erweckt. Doch vielleicht auch nicht.
    Alle warteten wir in bedrücktem Schweigen. Mael erhob sich und schritt auf das Podest zu.
    »Meine Königin«, sagte er mit ruhiger Stimme, »Mael bittet dich mit allem Respekt und in tiefster Demut, dass er von dem Urquell trinken möge.«
    Er stieg auf das Podest, neigte sich wagemutig, von Liebe erfüllt über die Königin und beugte sich dann nieder, um von ihrer Kehle zu trinken.
    Nichts schien zu passieren. Sie würde es erlauben. Ihre glasigen Augen starrten geradeaus, als bedeute es ihr nichts. Ihre Hände ruhten unverändert auf ihren Schenkeln. Aber ganz plötzlich, einer hölzernen Maschine gleich, wie von Rädern und Schrauben angetrieben, drehte sich der schwer gebaute Enkil mit monströser Schnelligkeit zur Seite und streckte die rechte Hand aus. Ich stürzte vor, warf die Arme um Mael und zerrte ihn unmittelbar unter dem niederfallenden Arm weg und zurück bis zur Wand, wo ich ihn in eine Ecke schleuderte.
    »Bleib da!«, flüsterte ich.
    Ich richtete mich auf. Enkil verhielt in seiner Stellung, die Augen blicklos, als könne er das Objekt seiner Wut nicht finden; die Hand hielt er immer noch erhoben. Wie oft hatte ich die beiden, wenn ich sie frisch einkleidete oder reinigte, in der gleichen schwerfälligen, abwesenden Haltung gesehen? Ich verdrängte mein Entsetzen und erklomm das Podest. Schmeichelnd redete ich auf Enkil ein: »Bitte, mein König, es ist vorbei.« Ich legte meine zitternden Hände auf seinen Arm und führte ihn sanft zurück zu seinem Platz. Sein Gesicht war erschreckend ausdruckslos. Dann drückte ich meine Hände auf seine Schultern und drehte ihn so weit, dass er wieder geradeaus schaute wie zuvor. Sanft rückte ich seinen schweren goldenen Halsschmuck zurecht. Ich legte seine Finger sorgfältig zurecht. Ich glättete den Schurz aus dicht gefälteltem Leinen.
    Was die Königin betraf, so blieb sie ungerührt. Es war, als hätte das Ganze gar nicht stattgefunden; zumindest dachte ich so, bis ich die Blutstropfen an der Schulter ihres linnenen Gewandes bemerkte. Ich müsste es wohl wechseln, wenn möglich. Das war der Beweis, dass sie den Kuss gestattet hatte, und er, Enkil, hatte ihn verboten. Nun, das war äußerst interessant, denn nun wusste ich, Enkil hatte mich zu Boden geschleudert, als ich das letzte Mal von ihr trank.
    Aber nun war nicht die Zeit, darüber nachzugrübeln. Ich musste Mael und Avicus aus dem Schrein schaffen.

Weitere Kostenlose Bücher