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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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suchte, hatten sie Besseres zuwege gebracht.
    »Setzen wir uns doch«, forderte Eudoxia uns auf, »und ich will euch sagen, wer ich bin.«
    Wir ließen uns auf den Stühlen nieder, die dicht beieinander standen, und sie begann mit leiser Stimme, ihre Geschichte zu erzählen.

 
     
     
10
     
    » M ein Leben als Sterbliche ist recht belanglos«, sagte sie, »deshalb werde ich es schnell erzählt haben. Ich entstamme einer vornehmen griechischen Familie; sie gehörte zu den ersten Athenern, die nach Alexandria kamen, damit es zu der großartigen Stadt heranwachsen konnte, die Alexander vorschwebte, als er sie dreihundert Jahre vor der Geburt dieses Christus gründete.
    Wie jedes Mädchen aus einem griechischen Haushalt dieser Art wuchs ich überaus behütet auf und verließ nie das Haus. Ich lernte Lesen und Schreiben, da mein Vater, wenn er mich erst verheiratet hätte, gerne Briefe von mir erhalten wollte, und er meinte, ich könnte später meinen Kindern aus den Werken der Dichter vorlesen.
    Ich liebte ihn dafür, womit ich wohl die Einzige war, die solche Gefühle für ihn hegte, und widmete mich mit Leidenschaft meiner Ausbildung. Alles andere vernachlässigte ich. Eine frühe Heirat war für mich vorgesehen. Sie sagten es mir, als ich noch keine fünfzehn war, und ich war ziemlich froh darüber, denn ich hatte den Mann schon gesehen und fand ihn faszinierend und auf eine Art fremdartig. Ich fragte mich, ob die Heirat mit ihm mir zu einem neuen Leben verhelfen würde, das interessanter als mein bisheriges sein könnte. Meine leibliche Mutter war gestorben, und meine Stiefmutter mochte ich nicht leiden. Ich wollte nicht unter ihrem Dach bleiben.«
    Sie unterbrach für einen Moment, und ich begann nachzurechnen. Sie war um viele Jahre länger ein Bluttrinker als ich, das hatte sie deutlich zu verstehen gegeben. Aus diesem Grund wirkte sie auch so vollkommen. Die Zeit hatte an den Linien ihres Gesichtes gearbeitet und sie geglättet, wie sie auch an meinen arbeitete. Eudoxia beobachtete mich und zögerte kurz, aber dann fuhr sie fort: »Einen Monat vor der Hochzeit wurde ich in der Nacht aus meinem Bett gerissen, über die Mauern unseres Anwesens geschleppt und zu einem finsteren, schmutzigen Ort gebracht, wo man mich in eine Ecke stieß. Dort kauerte ich auf dem steinernen Boden, während mehrere Männer sich darüber stritten, wer welchen Anteil am Lohn für meine Entführung bekäme. Ich glaubte, sie würden mich töten. Und ich war sicher, dass meine Stiefmutter dahinter steckte.
    Dann kam ein großer, dünner Mann mit struppigen schwarzen Haaren herein; sein Gesicht und seine Hände waren bleich wie der Mond. Er tötete die Entführer, warf sie wie Puppen durch den Raum, und zum Schluss hielt er einen von ihnen längere Zeit an seinen Mund gepresst, als tränke er Blut von dem Leichnam oder äße gar etwas davon.
    Ich dachte, ich stünde an der Schwelle zum Wahnsinn. Als der Weißgesichtige die Leiche fallen ließ, bemerkte er, dass ich ihn anstarrte. Nur ein zerrissenes, verschmutztes Nachthemd bedeckte meine Blöße. Aber ich stand auf und stellte mich tapfer vor ihn.
    ›Eine Frau!‹, sagte er. Das werde ich nie vergessen. ›Eine Frau!‹, als wäre das einer ausdrücklichen Erwähnung wert.«
    »Manchmal ist es das«, sagte ich.
    Sie lächelte mich nachsichtig an und nahm ihre Erzählung wieder auf: »Nach dieser Bemerkung stieß er ein seltsames Lachen aus, und dann packte er mich. Abermals dachte ich, jetzt würde ich getötet. Aber er machte mich zu einem Bluttrinker. Es gab keinen Ritus, keine prätentiösen Worte, gar nichts. Er tat es einfach, sofort und auf der Stelle.
    Dann nahm er einem der Toten Tunika und Sandalen weg, kleidete mich damit provisorisch wie einen Knaben, und dann gingen wir die restliche Nacht gemeinsam in den Straßen auf Jagd. Er ging unterwegs rau mit mir um, schob mich hierhin oder dorthin, wies mir mit groben Stößen wie mit harschen Worten den Weg.
    Kurz vor der Dämmerung brachte er mich zurück in seine seltsame Unterkunft, die nicht in dem vornehmen griechischen Stadtteil lag, wo ich aufgewachsen war. Ich hatte zuvor nie einen Fuß aus meines Vaters Haus gesetzt. Und so waren meine ersten Erlebnisse in den Straßen der Stadt überwältigend. Er trug mich über die hohe Mauer eines dreistöckigen Gebäudes und hinunter in den öden Garten. Der Bau war eine riesige, unaufgeräumte Schatzkammer. In jedem Raum lagerten unvorstellbare Reichtümer.
    ›Schau es dir an!‹,

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