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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Hafen auf den Schiffen. Ich mischte mich unter tapfere Männer und böses Pack.
    Eines Abends schnitt mir mein ›Schöpfer‹ nicht, wie sonst üblich, das Haar und nahm mich zu einem merkwürdigen Ort im ägyptischen Viertel der Stadt mit. Nachdem wir die Tür geöffnet hatten, mussten wir einem langen, abwärts führenden Tunnel folgen, ehe wir in einen großen Raum kamen, dessen Wände mit Hieroglyphen bedeckt waren. Hoch ragende Pfeiler stützten die Decke. Es war ein Ehrfurcht gebietender Ort.
    Wenn ich mir auch heute nicht mehr sicher bin, so glaube ich doch, er weckte in mir Erinnerungen an eine kultiviertere Zeit, als mir Dinge voller Geheimnis und Schönheit noch nicht fremd geworden waren.
    Mehrere Bluttrinker waren dort, bleich und außerordentlich schön, aber lange nicht so weißhäutig wie mein Begleiter, und sie hatten eindeutig Angst vor ihm. Dies alles verwunderte mich sehr. Aber dann erinnerte ich mich an seinen Ausdruck ›Bluttrinker des Tempels‹, und ich dachte: ›Das sind sie also.‹ Er stieß mich vorwärts wie ein kleines Wunderwerk, das die anderen bis dahin noch nicht gesehen hatten. Dann stritten sie in ihrer Sprache, die ich kaum verstehen konnte.
    Sie sagten ihm offenbar, dass nur Die Mutter, und nur sie, entscheiden könne, und dann erst würde man ihm sein Betragen vergeben. Er, mein ›Schöpfer‹, entgegnete, ihm sei es egal, ob man ihm vergebe, aber er wolle fortgehen von hier. Er müsse nur eins wissen – ob sie mich bei sich aufnähmen.
    Ich war entsetzt. Mir gefiel dieser düstere Ort ganz und gar nicht, so großartig er auch war. Und wir hatten doch eine Reihe von Jahren miteinander verbracht. Aber jetzt wollte er mich verlassen. Warum? Ich vermute, in dem Augenblick wurde mir klar, dass ich ihn liebte. Ich hätte alles getan, damit er seine Meinung änderte. Die andern stürzten sich auf mich. Sie hielten meine Arme fest und zerrten mich mit Gewalt in einen zweiten, riesig großen Raum.
    Dort waren Die Mutter und Der Vater; prachtvoll und schimmernd saßen sie auf einem hohen Thron aus schwarzem Diorit, zu dem sechs oder sieben Marmorstufen hinaufführten. Es war der Hauptraum eines Tempels, alle Säulen und Wände waren wunderschön mit Hieroglyphen geschmückt, und die Decke war mit goldenen Paneelen belegt.
    Wie wir alle dachte natürlich auch ich zuerst, dass Die Mutter und Der Vater Statuen wären, und als ich näher herangeführt wurde, empfand ich starken Widerwillen. Zudem schämte ich mich, weil ich alte Sandalen und eine schmutzige Knabentunika trug und mein Haar mir ungekämmt auf die Schultern hing – denn in dieser Nacht hatte mein ›Schöpfer‹ es ja nicht geschnitten. Ich war überhaupt nicht auf das Ritual vorbereitet, das nun stattfinden sollte.
    Akasha und Enkil strahlten in reinstem Weiß, und sie saßen in der gleichen Haltung, wie sie stets gesessen haben, seit ich sie kenne – wie sie auch in deiner unterirdischen Kapelle sitzen.« Mael unterbrach die Erzählung mit einer Frage: »Woher weißt du, wie Die Eltern in unserer Kapelle aussehen?« Aber Eudoxia blieb ganz gelassen.
    »Hast du etwa nicht die Fähigkeit, mittels der Gedanken anderer Bluttrinker etwas zu sehen?«, fragte sie ihn. Ihre Augen blickten hart, vielleicht sogar ein wenig grausam.
    Mael war verwirrt.
    Mir war klar, dass er Eudoxia damit verraten hatte, was sein Geheimnis hätte bleiben sollen: Dass er sich dieser Fähigkeit nicht bewusst war. Er konnte zwar andere Bluttrinker finden, indem er ihre Gedanken auffing, aber er wusste nicht, dass er diese Fähigkeit weitergehend einsetzen konnte, um mit ihren Augen zu sehen.
    Eigentlich waren wir alle drei uns über unsere Kräfte nicht so ganz im Klaren. Ich suchte vergebens nach einer Idee, wie ich Eudoxia von ihrer Frage ablenken könnte, sagte jedoch nur: »Fahr doch bitte fort. Erzähl weiter.«
    Ich wagte nicht, wegen Maels plumpem Benehmen um Entschuldigung zu bitten, das hätte ihn möglicherweise erst recht wütend gemacht.
    »Nun gut«, sagte Eudoxia, wobei sie allein mich ansah, als ob sie meine Gefährten unmöglich fände und sie ausschlösse. »Ich erzählte ja gerade, dass mein ›Schöpfer‹ mich vorwärts stieß. Er befahl mir, vor Dem Vater und Der Mutter niederzuknien. Und da ich mich so sehr fürchtete, tat ich wie geheißen. Ich hob den Blick zu ihren Gesichtern, wie Bluttrinker es seit undenklichen Zeiten getan haben, und ich sah kein Leben darin, keinen subtilen Ausdruck, nichts, ich sah nur eine Gelöstheit

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